Zwangspause des britischen Parlaments illegal

EU-Abgeordnete begrüßen Urteil / Oppositionsführer Jeremy Corbyn fordert Rücktritt von Premierminister Boris Johnson

  • Lesedauer: 3 Min.

London. Die vom britischen Regierungschef Boris Johnson verfügte Zwangspause des Parlaments ist vom Obersten Gerichtshof des Landes für »illegal« erklärt worden. Das Unterhaus solle »so schnell wie möglich« wieder zusammenkommen, urteilte das Gericht am Dienstag in London. Führende EU-Abgeordnete haben das Londoner Urteil gegen die Zwangspause des britischen Parlaments begrüßt. Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei forderte nach dem Urteilsspruch den Rücktritt Johnsons.

Der Brexit-Beauftragte im EU-Parlament Guy Verhofstadt kommentierte: »Parlamente sollten in einer echten Demokratie niemals zum Schweigen gebracht werden. Ich will niemals wieder hören, dass Boris Johnson oder ein anderer Brexit-Befürworter sagt, dass die Europäische Union undemokratisch ist.«

Auch David McAllister, Chef des auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, wertete die britische Gerichtsentscheidung als Niederlage für Johnson und Stärkung des Parlamentarismus. Doch warnte der CDU-Politiker: »Die heutige Entscheidung löst allerdings nicht die ursprüngliche politische Blockade. Es gilt nun, zügig zur sachlichen Debatte zurückzukehren. Es muss gelingen, einen ungeordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU abzuwenden.«

Gegen die von Johnson bei Königin Elizabeth II. empfohlene fast fünfwöchige Parlamentsvertagung hatte es zwei Klagen gegeben, eine davon war von mehreren Abgeordneten eingebracht worden. Das Oberste Gericht kam nun zu dem Schluss, dass die Entscheidung Johnsons, »ihrer Majestät zu raten, das Parlament zu vertagen, illegal war«, sagte Gerichtspräsidentin Brenda Hale. Die Zwangspause sei damit »ungültig und unwirksam«. Die Abgeordneten könnten »unmittelbare Schritte« für eine Zusammenkunft des Parlaments einleiten.

Unterhaussprecher John Bercow sagte nach der Urteilsverkündung, das Parlament müsse nun »ohne Verzögerung zusammenkommen«. Bercow kündigte dafür sofortige Gespräche mit den Parteichefs an.

Corbyn forderte beim Labour-Parteitag in Brigthon Johnson auf, mit einem Rücktritt vorgezogene Neuwahlen zu ermöglichen. Aus den Neuwahlen solle eine Regierung hervorgehen, »die die Demokratie respektiert«.

Johnsons Entscheidung, dem Parlament kurz vor dem für den 31. Oktober geplanten EU-Austritt Großbritanniens eine fast fünfwöchige Sitzungspause aufzuerlegen, hatte landesweite Proteste hervorgerufen. Kritiker halten dem konservativen Regierungschef vor, das Parlament ausgerechnet zur entscheidenden Brexit-Zeit aushebeln zu wollen, um notfalls auch einen Austritt ohne Abkommen mit der EU durchsetzen zu können. Die Abgeordneten lehnen einen No-Deal-Brexit mehrheitlich ab.

Johnsons Anwälte blieben dagegen auch vor Gericht bei der Darstellung, dass es sich um einen Routinevorgang gehandelt habe und die Regierung durch die Zwangspause nur Zeit haben wollte, das neue Regierungsprogramm vorzubereiten. Agenturen/nd

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