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Per Intrige zum Brexit
Das Misstrauen zwischen Großbritannien und Brüssel wird durch Veröffentlichungen weiter genährt
Das Brexit-Drama ist in den vergangenen Tagen wieder um ein Kapitel reicher geworden. Von kleingeistigen Gemeinheiten bis hin zu großen Emotionen wurde alles geboten. Knapp drei Wochen, bevor ein weiteres Mal die Frist abläuft, innerhalb derer das Vereinigte Königreich aus der EU austreten soll, ist eine Lösung weiterhin nicht in Sicht.
Dabei ging es gar nicht so schlecht los. Der britische Premier Boris Johnson stellte vergangene Woche seine lang versprochene Ausarbeitung zur Lösung des größten Knackpunkts vor: Zwischen EU-Mitglied Irland und dem der britischen Krone unterstehenden Nordirland darf es keine sichtbare Grenze geben. So sieht es das Karfreitagsabkommen vor, das 1998 den jahrzehntelangen blutigen Nordirlandkonflikt beendete.
Weil London von Tag eins nach dem Brexit an eine eigene Handelsagenda verfolgen und etwa Zölle und Standards für Importe festlegen will, müssen Warenströme zwischen dem Süden und dem Norden der irischen Insel jedoch unweigerlich Kontrollen unterliegen. Johnsons Vorschlag sieht nun vor, nicht an der inneririschen Grenze zu kontrollieren, sondern vereinfacht über Onlineformulare und beim Be- und Entladen auf Firmengeländen.
»Die Vorschläge würden geprüft«, hieß es aus Brüssel. Eine postwendende Ablehnung, so die Sorge, hätte Johnson Gelegenheit gegeben, die Schuld einer verhandlungsunwilligen EU in die Schuhe zu schieben. Doch hinter den Kulissen wurde deutlich: Johnsons Vorschlag beinhalteten nichts, was in den Verhandlungen mit dessen Vorgängerin Theresa May nicht schon zur Sprache gekommen und für nicht zielführend befunden worden wäre. Rasch setzte sich die Überzeugung durch, Johnson wolle überhaupt kein Abkommen erzielen.
Der Premier hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sein Land am 31. Oktober gegebenenfalls ohne Abkommen aus der EU führen würde. Mögliche katastrophale wirtschaftliche Folgen tat er als Panikmache ab. Allerdings hat das britische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das ihn zwingt, eine dreimonatige Verschiebung des EU-Austritts zu beantragen, sollte bis zum 19. Oktober kein Abkommen stehen.
Über eine mögliche Strategie der britischen Regierung, das zu umgehen, gab am Montag ein Bericht im britischen »Spectator« mit Verweis auf eine Regierungsquelle Aufschluss. Auf EU-Seite müssen alle Regierungen der anderen 27 Mitgliedstaaten einer erneuten Brexit-Verschiebung zustimmen. Johnson werde also versuchen, mindestens ein EU-Land dazu zu bringen, die Verlängerung abzulehnen, so die Quelle.
Diese Vorstellung sorgt in Brüssel bereits seit Längerem für Unbehagen. Immer wieder genannt wird dabei der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Der hält bekanntlich wenig von der EU. Helle Aufregung kam daher auf, als britische Medien berichteten, dem ungarischen Außenminister Péter Szijjártó sei bei einem Besuch in London vergangene Woche ein entsprechendes Angebot unterbreitet worden. Die Regierung in Budapest stritt dies ab.
Einen weiteren dramaturgischen Höhepunkt gab es am Dienstag nach einem Telefonat Johnsons mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Regierungsbeamte in London stachen anschließend ihre Interpretation des vertraulichen Gesprächs an die Presse durch: Merkel habe von Johnson Kompromissbereitschaft eingefordert, sonst gebe es keine Aussichten auf eine Einigung. In gewissen Kreisen wurde daraus die Lesart »deutsche Kanzlerin diktiert die Brexit-Bedingungen« - Hitler-Vergleiche inklusive.
In Brüssel bekräftigte die EU-Kommission ihre offiziellen Linie: »Die Gespräche werden weitergeführt.« EU-Ratspräsident Donald Tusk platzte allerdings der Kragen. Er warf Johnson vor, mit seinen Taktierereien die Zukunft Europas und Großbritanniens aufs Spiel zu setzen. Am Mittwoch stand der Brexit auf der Agenda des EU-Parlaments. Vor den Abgeordneten stellte Chefunterhändler Michel Barnier nüchtern fest: »Wir sind momentan nicht kurz davor, eine Einigung zu finden«.
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