Lenín gibt indigenem Druck nach

Ecuadors Präsident nimmt Subventionsstreichung bei Treibstoffen zurück

  • Miriam Lang, Quito
  • Lesedauer: 4 Min.

An der Konföderation der Indigenen Völker (CONAIE) kommt auch Lenín Moreno nicht vorbei. Ecuadors Präsident war am Sonntag in der Hauptstadt Quito zu direkten Gesprächen mit der einflussreichen CONAIE zusammengekommen, die an der Spitze der Proteste gegen die Streichung der Treibstoffsubventionen steht. CONAIE-Chef Jaime Vargas bestätigte nach der rund vierstündigen Unterredung unter Vermittlung von UNO und katholischer Kirche, dass die Protestaktionen eingestellt würden. Staatschef Moreno dankte all jenen, die sich am »Friedensprozess« beteiligt hätten. In den Straßen von Quito jubelten Tausende Menschen über die erzielte Einigung. Im Zuge der Vereinbarung soll das Dekret zurückgenommen werden, mit dem Moreno staatliche Subventionen für Treibstoffe gestrichen hatte. Ein neues Dekret soll gemeinsam erarbeitet werden.

Schon während der Proteste war auffällig, dass keine der offiziellen Verlautbarungen der CONAIE den Rücktritt von Präsident Moreno fordert, sondern lediglich den seiner Innenministerin María Paula Romo und seines Verteidigungsministers Oswaldo Jarrín. Politischen Analysen zufolge sieht die Moreno-Regierung sich als eine Übergangsregierung, die der expliziten Rechten um den Christdemokraten Jaime Nebot den Weg ebnen soll. Dies hat eine Entsprechung in einem deutlichen Rechtsruck in offiziellen Medien und sozialen Netzen, wo die protestierenden Indigenen und Arbeiter*innen vielfach klassistisch und rassistisch diskriminiert werden. Ein Rücktritt Morenos könnte den Aufstieg der Rechten katalysieren, während der Verbleib dieses relativ schwachen Präsidenten im Amt den Organisationen die Chance gibt, sich wieder stärker in die gesellschaftliche Debatte um die Zukunft des Landes einzumischen.

Hierbei ist es wichtig zu betonen, dass es den Indigenen mehrheitlich um ganz andere Dinge geht als um Wahl- und Parteipolitik. Im Vordergrund steht nicht nur die Rücknahme des Kürzungspakets des Internationalen Währungsfonds, sondern auch die Abkehr vom Extraktivismus, der rücksichtslosen Ausbeutung von Rohstoffen mit Billigung der Politik. Diese Praxis dringt immer weiter in ihre Territorien vor und bedroht ihre nackte Existenz, sowohl in materieller als auch in kultureller Hinsicht. Wie die Indigenen aus Chimborazo in einer Erklärung darlegten, verlangen sie Reparation für die seit der Kolonialzeit erlittene Ausplünderung. Und zwar nicht etwa in barer Münze, sondern in Form einer radikal anderen Agrarpolitik, die nicht auf die Ausrottung der Kleinbauern- und bäuerinnen und der kommunitären Subsistenzökonomie abzielt, sondern sie stärkt: Der Zugang zu Bewässerung, nicht patentiertem Saatgut und fruchtbarem Land im Kollektivbesitz stehen dabei im Vordergrund, sowie eine systematische Förderung ökologischer Anbaumethoden anstelle von korporativen Saatgut-Kunstdünger-Pestizid-Kits, die die Bauern und Bäuerinnen in die Abhängigkeit des transnationalen Kapitals zwingen. Plurinationalität, seit den 90er Jahren die zentrale Forderung der Indigenen, meint außerdem territoriale Selbstregierung mit eigenen Justiz, Erziehungs- und Gesundheitssystemen, aber vor allem auch eigenen Formen der Versammlungsdemokratie. Das Recht auf eine Lebensweise, die nicht vom globalen Kapitalismus diktiert wird und von der Moderne nur das nimmt, was die Gemeinschaft souverän entscheidet, das ist es, worum Ecuadors indigene Bewegung im Grunde kämpft.

Lesen Sie hier: Das Zünglein an der politischen Waage. Die indigene Bewegung Ecuadors hat bereits mehrere Präsidenten gestürzt.

Und selbstverständlich kämpft die indigene Bewegung auch gegen die Umverteilung von unten nach oben. Die Übereinstimmung der Zahlen ist frappierend: Einen Kredit von vier Milliarden und 200 Millionen Dollar will die Lenín Moreno vom Internationalen Währungsfonds. Um den zu bekommen, muss sie bestimmte Strukturanpassungsmaßnahmen durchführen: unter anderem die staatlichen Subventionen für Treibstoffe streichen und die Diesel- und Benzinpreise dem Weltmarkt anpassen; aber auch Arbeitnehmer*innenrechte zurücknehmen, um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Soziale Organisationen haben errechnet, dass es genau vier Milliarden und 295 Millionen Dollar sind, die Lenín Moreno in den vergangenen Jahren Banken und großen Unternehmen an Steuerzahlungen erlassen hat. Es handelt sich also, so wird argumentiert, um eine eindeutige Umverteilungsmaßnahme von unten nach oben. Die breite Bevölkerung muss zahlen, damit die Eliten noch reicher werden. 554 Millionen Dollar Profit sollen die Banken allein 2018 gemacht haben, während nun die Gehälter von Staatsangestellten mit Gelegenheitsverträgen pauschal um 20 Prozentgekürzt werden sollen. Zehntausende werden aus dem Staatsapparat entlassen, in eine Ökonomie, die stagniert und kaum Arbeitsplätze zu bieten hat. Dem hat die CONAIE nun Einhalt geboten. Doch das Tauziehen mit Moreno um mehr soziale Gerechtigkeit ist damit nicht beendet.

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