Verkehr im Flughafenumfeld 2020 am Limit

Dialogforum der Anliegerkommunen fordert Priorität für öffentliche Verkehrsinfrastruktur - neue Studie vorgestellt

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie sich die Verkehrsströme in und um Schönefeld am Rande Berlins tatsächlich verhalten, wenn denn im Oktober 2020 der neue Hauptstadtflughafen BER in Betrieb geht, ist offenbar nicht verlässlich abzuschätzen. Obwohl sich spätestens mit dem Umzug aller Abfertigungskapazitäten von Tegel an den BER die dortige Passagierkapazität schlagartig verdreifachen wird, will vor Ort bislang niemand das Wort »Verkehrschaos« direkt aussprechen - auch wenn die Zufahrten zum heutigen Flughafen Schönefeld schon heute in Spitzenzeiten hoffnungslos überfüllt sind.

Mehr Klarheit, wie der vor allem auch perspektivisch »rasant zunehmende Verkehr in der Region« zu bewältigen wäre, sollte eine im Auftrag der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Dialogforum Airport Berlin Brandenburg in Auftrag gegebene Studie schaffen. Nach anderthalb Jahren hat das damit betraute Berliner Planungsbüro SPV - Spreeplan Verkehr GmbH seine Analyse unter dem Titel »Grundlagenermittlung Verkehr Flughafenregion BER« vorgelegt. Am Dienstag wurde sie nun in den Räumen des Dialogforums in Schönefeld vorgestellt.

»Schon heute sind Teilstrecken der Autobahnen, insbesondere auf der A100 und der A113, stark ausgelastet. Bis 2030 wird ein zusätzliches Verkehrsaufkommen von rund 220 000 täglichen Fahrten erwartet«, teilte das Forum aus diesem Anlass in einer Pressemitteilung mit. »Dafür sind die derzeitigen Autobahnen nicht ausgelegt, so dass bereits heute Ausweichrouten genutzt werden und an Straßenkreuzungen deutliche Rückstaus entstehen.« Insgesamt werde ein Gesamtvolumen im Verkehr erreicht, dass verstärkt Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und eine Verlagerung auf umweltverträglichere Verkehrsträger erfordere.

Der stellvertretende Vorsitzende des Dialogforums, der Ludwigsfelder Bürgermeister Andreas Igel (SPD), wollte keine Schwarzmalerei betreiben. »Es ist festzustellen, dass der Verkehrsflughafen für sich allein genommen nicht die Verkehrsströme auslöst, die am Ende zum großen Verkehrschaos führen«, erklärte er. Aber man spreche hier von einer der derzeit größten Wachstumsregionen Europas. In der Gesamtbetrachtung sei zu berücksichtigen, dass der »Herzkranz der Metropole« - wie er die Speckgürtelregion südlich Berlin bezeichnete - in Betrieb gehalten werden müsse. »Festzustellen ist, dass die weiteren Wachstumsimpulse, die aus der Region heraus entstehen werden - einerseits die Wirtschaftsentwicklung und andererseits die Bevölkerungsentwicklung - zu einer wesentlichen Mehrbeanspruchung der In᠆frastruktur führen werden«, sagte Igel. Allein die Zahl der ab 2020 hier abzufertigenden Fluggäste werde zu einem Anstieg des Verkehrs in der Flughafenregion von 88 Prozent führen.

Die Studie geht davon aus, dass die jährlichen Passagierzahlen in den ersten zehn Jahren nach Eröffnung des BER 2020 von rund 36 Millionen auf 46 Millionen steigen. Auch werde das Verkehrsaufkommen in der Region durch Zuzug und Gewerbeansiedlungen deutlich zunehmen. Bis 2030 rechne man mit 40 000 neuen Einwohnern und 85 000 zusätzlichen Beschäftigten in der Flughafenregion.

Laut Bertram Teschner von Spreeplan werde der Flughafen weiter wachsen, sei aber nicht die einzige Wachstumsquelle. Allein die Einwohnerzahl werde bis 2040 wohl um 135 000 zunehmen. Mehr als eine Million Menschen würden in der Region Tag für Tag unterwegs sein. Man habe mit der neuen Studie auf der zu Jahresbeginn vorgelegten »Verkehrs- und Engpassanalyse« der IHK Cottbus zum Flughafenumfeld aufgebaut und die von den Kommunen fixierten Wachstumserwartungen berücksichtigt. Somit verfüge man über eine solide Datenbasis.

Auftraggeber und Verfasser der Studie sind sich einig, dass die Lösung der Verkehrsfragen vor allem im öffentlichen Nahverkehr liegen muss. Notwendig seien der Ausbau der Bahnlinien im Süden, zusätzliche Regionalzüge, Busse als Zubringer zu den Gewerbegebieten, Fahrradstraßen und -parksysteme und eben auch die Verlängerung der Berliner U-Bahnlinie U7 zum BER. In den Gemeinden sollen Überführungen beschrankte Bahnübergänge »entschärfen«. Wegen der langen Planungszeiten müsse man schnell handeln, forderte Andreas Igel. Er sieht die Chance, aus der Flughafenregion jetzt eine Modellregion zu machen. Dabei seien die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund mit in der Pflicht.

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