Ein Investor haftet nicht

Zwei rumänische Bauarbeiter der »Mall of Berlin« scheiterten mit Lohnforderungen vor dem Bundesarbeitsgericht

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 5 Min.
Enttäuschung nach der Urteilsverkündung vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt.
Enttäuschung nach der Urteilsverkündung vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Enttäuscht sei er, sagt Ovidiu Mindrila nach dem Ende der Gerichtsverhandlung. Das sieht man ihm auch an. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hatte gerade seine Klage gegen die HGHI Leipziger Platz GmbH und Co. KG abgelehnt. Trotzdem war seine erste Äußerung nach Verkündung der Entscheidung eine nach vorwärts gerichtete Frage: »Was können wir jetzt noch machen?«

Mindrila hatte gemeinsam mit Niculae Hurmuz auf Zahlung ihrer vor fünf Jahren erarbeiteten Löhne geklagt. Damals arbeiteten sie mit einer Gruppe von rund 30 weiteren Rumänen auf der Baustelle der »Mall of Berlin«, eines der größten Einkaufszentren in der Hauptstadt. Nach einer Weile blieb plötzlich das Geld aus. Nach erfolglosen Bitten und Protesten zogen sieben von ihnen schließlich mit Unterstützung der Basisgewerkschaft FAU gegen zwei Subunternehmen vor Gericht.

In erster und zweiter Instanz gab das Berliner Arbeitsgericht Mindrila und Hurmuz recht: Die Subunternehmen, die sie im Herbst 2014 beschäftigt, ihnen aber zwei Monate lang keinen Lohn gezahlt hatten, mussten das Versäumnis nachholen. Doch eines ging pleite, das andere verschwand spurlos.

Weil auch der Generalunternehmer der »Mall of Berlin« in Insolvenz ging, wollten die beiden Arbeiter nun je rund 4000 Euro vom Investor des Projekts einklagen. Das Landesarbeitsgericht verwies beide Klagen an die oberste Instanz. »Nach so einem langen Kampf gibt es nur zwei Varianten, wie das Verfahren ausgehen kann: Entweder er gibt nach oder er gibt uns das Geld«, sagte Mindrila vor der Verhandlung am Mittwoch. Doch das Bundesarbeitsgericht entschied anders.

Zu klären war am Mittwoch, ob ein Investor für ausbleibende Löhne von Subunternehmen haftbar gemacht werden kann. Für Klaus Stähle, Anwalt der Kläger, lasse sich das Arbeitnehmerentsendegesetz durchaus so interpretieren. Der Unternehmer, so steht es im Gesetz, müsse für Nachunternehmen haften. In der bisherigen Rechtsprechung wurde das auch so gehandhabt.

Beim Generalunternehmer war allerdings Schluss: Ein Auftraggeber oder Financier wurde bisher nicht haftbar gemacht, außer er war gleichzeitig Bauträger - also ein Unternehmen, das Gebäude errichten lässt, um sie zu verkaufen.

Die Begründung: Solange es sich um Bauunternehmen handelt, kennt es sich in der Branche aus und muss einschätzen können, ob die Subunternehmen, die sie beauftragen, seriös sind. Das gelte für branchenferne Unternehmen nicht.

Die HGHI Leipziger Platz GmbH und Co. KG hat die »Mall of Berlin« nicht verkauft und vermietet die Gewerbeflächen. Deshalb sieht sie sich nicht in der Pflicht, den Forderungen der Bauarbeiter nachzukommen.

Diese Auffassung vertrat der Anwalt des Unternehmens, Jan-Nicolas Steinpilz, auch vor dem Bundesarbeitsgericht. Viel sagte er nicht, für ihn war die Rechtslage klar. Nur eine Bemerkung ließ er sich nicht nehmen: Sollte das Gericht zugunsten der Arbeiter entscheiden, hätte das »preispolitische Auswirkungen«. Der Richter blickte etwas irritiert und wies ihn zurecht: Preispolitische Auswirkungen seien für die Frage, die hier zu klären sei, »nicht maßgeblich«. Der Anwalt gab zurück: »Ich wollte das auch nur am Rande bemerken.«

Richter Rüdiger Linck erklärte, seiner Auffassung nach habe der Gesetzgeber den Investor explizit nicht in die Haftung habe nehmen wollen. Klägeranwalt Stähle widersprach. »Es ist schwer zu begründen, warum derjenige, der nicht verkauft, aber vermietet, von der Haftung ausgenommen sein sollte«, sagte er. »Jemand, der viele Malls baut, immer mit den gleichen Architekten zusammenarbeitet, der hat die notwendige Erfahrung.« Er räume allerdings ein, »dass der Gesetzgeber schon längst hätte nachbessern können«, um diesen Punkt im Arbeitnehmerentsendegesetz klarzustellen. Doch »versperrt« habe er die Möglichkeit der Haftung von Großinvestoren nicht.

Der Richter zeigte sich skeptisch, wie Groß- von Kleininvestoren, Groß- von Kleinbetrieben abzugrenzen seien. »Was ist groß, was ist klein?« Einfacher sei die Abgrenzung von Unternehmern und Privatpersonen, die beispielsweise den Bau eines Einfamilienhauses in Auftrag geben.

Stähle hingegen nannte Kriterien, anhand derer eine Haftung festgelegt werden könnte, zum Beispiel der Wert eines Bauprojekts und die Anzahl von Bauvorhaben eines Investors im gleichen Bereich.

Etwas Entgegenkommen zeigte der Richter bei der Frage der Verantwortung. Das Bundesverfassungsgericht habe in einem Urteil die besondere Verantwortung von Bauunternehmern unterstrichen, erklärte er. Diese sah er jedoch lediglich bei Generalunternehmern. Und ließ nicht zuletzt damit durchblicken, wie er entscheiden sollte: gegen die Bauarbeiter.

Von den ursprünglichen sieben Klägern lebt nur noch Mindrila in Berlin. Bogdan Droma etwa, ein anderer der sieben, lebt mittlerweile in England. Für die Verhandlung in Erfurt kam er nach Deutschland zurück. »Das hier ist wichtig«, erklärte er. Von der Gerichtsverhandlung zeigte sich Droma enttäuscht. »Der Investor muss zur Verantwortung gezogen werden. Er beauftragt nicht irgendeine Firma mit dem Bau, sondern eine, der er den Auftrag zutraut. Er ist für diese Firma und deren Handeln verantwortlich.«

Doch das Urteil steht fest. Um künftig zu einem anderen Ergebnis zu kommen, wäre nur noch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof möglich. Ob die Kläger den Weg einschlagen, wollen sie zunächst mit ihrem Anwalt und der FAU beraten.

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