Nun aber wirklich! Die Brexit-Einigung ist da

Labour-Chef Jeremy Corbyn und nordirische DUP lehnen Abkommen ab. Sozialdemokraten fordern ein erneutes Brexit-Referendum

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Brüssel. Unmittelbar vor dem EU-Gipfel haben Großbritannien und die Europäische Union einen Durchbruch im Brexit-Streit erzielt. Dies teilte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag auf Twitter mit. »Wo ein Wille ist, ist auch #Deal«, schrieb Juncker. Damit steigen die Chancen, dass beim Gipfel ein Austrittsabkommen zustande kommt und der britische EU-Austritt geregelt vollzogen werden kann.

Doch wartet auch danach noch eine entscheidende Hürde: Das britische Parlament müsste die Vereinbarung mittragen. Die nordirische Partei DUP lehnt nach einem BBC-Bericht das neue Abkommen aber ab. Ohne deren Zustimmung dürfte es für den britischen Premierminister Boris Johnson schwierig werden, den Deal durch das Unterhaus zu bringen.

Der Chef der größten britischen Oppositionspartei, Jeremy Corbyn, lehnt das neue Brexit-Abkommen ab. »Es scheint, dass der Premierminister einen noch schlechteren Deal verhandelt hat als (seine Vorgängerin) Theresa May«, teilte der Labour-Chef am Donnerstag mit. Das Parlament solle das Abkommen, das Premierminister Boris Johnson mit der EU ausgehandelt hat, zurückweisen. Es gefährde unter anderem die Sicherheit von Lebensmitteln, den Umweltschutz und die Rechte von Arbeitnehmern. Corbyn sprach von einem »Ausverkauf«. Das neue Abkommen könne Großbritannien nicht vereinen. Erneut forderte er ein zweites Brexit-Referendum.

Auch die Schottische Nationalpartei (SNP) wird im britischen Parlament nicht für das neue Brexit-Abkommen stimmen. Ihr Landesteil habe sich nie von der Europäischen Union lösen wollen, betonte Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Erneut sprach sie sich für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum in Schottland aus. Vor fünf Jahren hatten sich die Schotten bei einem Referendum mit knapper Mehrheit gegen einen Ausstieg aus dem Vereinigten Königreich ausgesprochen, zu dem auch England, Wales und Nordirland gehören. Zwei Jahre später votierte eine Mehrheit der Schotten beim Brexit-Referendum gegen den Austritt aus der Europäischen Union.

EU-Kommissionspräsident Juncker empfahl den Staats- und Regierungschefs, das Abkommen bei dem am Nachmittag beginnenden Gipfel mitzutragen. »Es ist eine faire und ausgewogene Vereinbarung für die EU und Großbritannien und es steht für unseren Einsatz, Lösungen zu finden«, schrieb er auf Twitter.

EU-Parlamentspräsident David Sassoli hat Bereitschaft signalisiert, die Ratifizierung des neuen Brexit-Vertrags rasch in Angriff zu nehmen. Zunächst müsse man sich den Text genau anschauen und auch die Abstimmung im britischen Unterhaus abwarten, sagte Sassoli am Donnerstag in Brüssel. »Das Europäische Parlament steht natürlich bereit, seine Arbeit zu machen und seine Pflicht zu erfüllen.« Das EU-Parlament tagt nächste Woche in Straßburg, zuvor ist für Samstag eine Sondersitzung des Unterhauses geplant.


Gibt es im britischen Parlament eine Mehrheit für Johnsons Brexit-Deal?

Johnson bezeichnete das neue Brexit-Abkommen als »großartig«. Nun müsse das Unterhaus in London darüber am Samstag abstimmen, damit der EU-Austritt vollzogen werden könne. Danach könne man sich wieder auf andere »Prioritäten« konzentrieren wie Lebenshaltungskosten, das Gesundheitssystem NHS, Gewaltkriminalität und Umwelt, schrieb Johnson auf Twitter.

Johnson will sein Land zu Halloween, am 31. Oktober, aus der Staatengemeinschaft führen. Wiederholt hatte er Brüssel mit einem ungeregelten Brexit gedroht. Für den Fall hatten Experten chaotische Verhältnisse für die Wirtschaft und zahlreiche andere Lebensbereiche vorhergesagt.

Die nordirisch-protestantische DUP hat laut BBC dem Abkommen noch nicht zugestimmt. Eine Mitteilung vom Morgen gelte weiterhin, trotz Beteuerungen aus Brüssel und London, dass eine Einigung stattgefunden habe, berichtete die BBC unter Berufung auf DUP-Kreise. Parteichefin Arlene Foster und Fraktionschef Nigel Dodds hatten am Morgen mitgeteilt, dass sie mit dem Stand der Verhandlungen nicht einverstanden seien. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte erklärte, nun müsse man sich die Details des Abkommens genau anschauen. Es sei aber »wirklich ermutigend«, dass es den Deal nun gebe.

Gesamteinigung fehlt noch

Kurz vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs hatten Experten der EU und Großbritanniens bis Mittwochabend wichtige Brexit-Fragen geklärt. Darunter war auch die lange sehr umstrittene Zollregelung für Irland, wie der EU-Unterhändler Michel Barnier nach Angaben von Diplomaten in einem EU-Treffen berichtete. Eine Gesamteinigung stand aber auch Stunden danach noch aus, weil einige komplexe Details offen waren. Am späten Donnerstagvormittag setzte Juncker dann das Signal der Einigung. Ob die DUP dem Abkommen nun zustimmt, war zunächst unklar.

Seit Tagen verhandelten beide Seiten über Änderungen an dem Austrittsvertrag, den die damalige Premierministerin Theresa May 2018 noch mit Brüssel vereinbart hatte. Ihr Nachfolger Johnson verlangte Änderungen, weil er eine zu enge Bindung an die EU fürchtete.

Streitpunkt war die enthaltene Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, der sogenannte Backstop. Johnson wollte ihn unbedingt streichen. Nach langem Hin und Her hat man eine Alternative gefunden. Nun wird mit Spannung erwartet, ob das britische Unterhaus dem Deal zustimmt. Die Debatte darüber ist für Samstag angesetzt. dpa/nd

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