Der Kampf um die Köpfe

Ein lehrreicher Abend mit drei Fernsehmachern von damals bei ND im Club

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Am Mittwoch war der Saal im ND-Verlagsgebäude gut gefüllt. Der Abend versprach, nicht nur bildend, sondern auch unterhaltsam zu werden. Hatten sich doch auf dem Podium drei Menschen versammelt, die in der DDR Fernsehgeschichte schrieben. Alle drei haben sie im Rundfunk angefangen (wie wohl fast alle guten Fernsehleute in der ganzen Welt). Alle drei waren sie dann dem DDR-Fernsehen verbunden. Klaus Feldmann, Sprecher der Aktuellen Kamera - Rekordhalter als »Fernsehliebling«, Günter Herlt, in Fernsehunterhaltung genau so erprobt wie in Publizistik, und Heinz Grote, der eine steile Karriere vom Botenjungen bis hin zum ersten Korrespondenten des DDR-Fernsehens in Bonn absolvierte und später dann zum Vizechef des Fernsehens aufstieg. Diese drei standen Rede und Antwort bei der Präsentation des »Dicken DDR-Fernsehbuchs«, welches Günter Herlt im vergangenen Jahr - unter tätiger Hilfe vieler ehemaliger Kolleginnen und Kollegen aus Adlershof - »kompiliert« hatte. Zusammengestellt also aus einem riesigen Quellenberg und in eine lesbare Ordnung gebracht. Herausgekommen sind über 200 Seiten mit über 300 Fotos, 75 Visitenkarten, 50 Anekdoten und etlichen Betrachtungen. Stoff genug also, um einen Abend lang ins Gespräch zu kommen. Fernsehgeschichte, zumal die eines Senders den es nicht mehr gibt, hat einen eigenen Reiz, wie alle abgeschlossenen Sammelgebiete. Wenngleich vieles, was zu DDR-Zeiten produziert wurde, auch heute noch im MDR - und auf anderen Sendern - in der Wiederholungsschleife ist. Sendungen wie Rumpelkammer, Meister Nadelöhr, Blaulicht, Kessel Buntes, Sandmännchen, Aktuelle Kamera und viele viele mehr haben die Menschen in der DDR ereicht, haben sie angeregt, informiert, auch agitiert und aufgeregt. Der Fernsehfunk war der größte Filmproduzent der Republik, hatte die größte Politikredaktion, war wichtigster Unterhaltungsanbieter. Insgesamt 7000 Mitarbeiter gab es beim Fernsehen, wahrlich Kombinatsgröße. Die Quoten, so konnte man am Mittwoch hören (und im Buch nachlesen), waren Verschlusssache. Die Sprachregelung kam oft aus dem »Großen Haus«, vom ZK der SED, genauer von deren Agitationskommission, die einmal wöchentlich die Chefs der großen Redaktionen einbestellte und die Linie, die »Argu« vorgab. Das Fernsehen war formell dem Ministerrat unterstellt, also Staatsfernsehen. Und nicht zu vergessen: Es war Medium in Zeiten der Systemauseinandersetzung, des Kalten Krieges. Das Westfernsehen erreichte fast flächendeckend (»ARD - Außer Raum Dresden«) die DDR, das Fernsehen aus Adlershof bestrich bestenfalls das Zonenrandgebiet der Bundesrepublik. Immer wieder Unmut im Buch - auch im Saal - über die Abwicklung des DDR-Fensehens nach der politischen Wende. Die Personalie im Buch zu Karl- Eduard von Schnitzler, dem Präsentator des Schwarzen Kanals, ist mit der Überschrift versehen: »Der bestgehasste Mann des DDR-Fernsehens«. Seine letzte Sendung im Spätherbst 1989 beschloss er mit den Worten: »Nicht dass ich etwas zu bereuen hätte«. Heinz Grote hat ihn 144 Mal vertreten. Ob er etwas zu bereuen hätte, so eine Frage aus dem Publikum. Nein, höchstens dass es ihm nicht immer gelungen sei, »das für richtig Erkannte so zu belegen, wie es im Interesse der Sache nötig gewesen wäre«. Günter Herlt geht da weiter: »Falsche Informationspolitik hat einen gehörigen Anteil am Untergang des Staates DDR.« Geredet wird schließlich auch noch über allerlei Schnurren, über Geschichten, die vor und hinter der Kamera stattfanden. Und ganz nebenbei gab es auch eine historische Richtigstellung. Nicht Wiebke Bruns war die erste deutsche Nachrichtenpräsentatorin im Fernsehen, sondern Annerose Neumann - vom DFF. Zu Zeiten des DFF konkurrierten eine Handvoll Sender um Zuschauer. Heute sind es Dutzende. Da bleibt oft die Qualität auf der Strecke. »Tobt heute der Kampf um die Quote, tobte damals der Kampf um die Köpfe«, so die These von Günter Herlt in seinem Buch, welches einen aufschlussreichen und umfassenden Blick hinter die Kulissen des Fernsehens nicht schuldig bleibt. Informativ wie unterhaltend wurde dieser Rückblick auf das DDR-Fernsehen zusammengestellt. Mit viel Liebe zum Detail. Mit viel Hochachtung vor den Machern. Mit einer übersichtlichen Gliederung für die Leser. Kein historisch-kritisches Analysewerk ist da enstanden. Das sollte es aber auch gar nicht werden. Ein Buch der Erinnerung an Stars, an Sternstunden. Nicht ohne Wehmut aber auch mit Humor: »Es ...

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