Wo der Bürgermeister noch »mauern« darf

Niedersachsen hat bislang kein Informationsfreiheitsgesetz - Landtags-Grüne: Amtliche Auskünfte kein Gnadenakt

  • Hagen Jung, Hannover
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Bürgermeister einer niedersächsischen Kleinstadt ist glücklich: Endlich kommt mal ein Bundesminister zu Besuch! Klar, dass man ihn fürstlich bewirtet. Im »ersten Haus am Platze« wird ein Saal gemietet für alle, die wichtig sind oder sich dafür halten. Ein üppiges Mahl gibt es und eine hohe Rechnung. Wie viel hat die Sause gekostet, die aus der klammen Stadtkasse bezahlt werden muss? Ein Steuerbürger, der das wissen will, bekommt keine Antwort aus dem Rathaus. Solch eine Ignoranz kann sich ein Bürgermeister in Niedersachsen rechtlich betrachtet durchaus leisten, denn: Das Bundesland hat noch immer kein »Informationsfreiheitsgesetz« (IFG). Endlich müsse ein solches verabschiedet werden, meinen die oppositionellen Grünen im Landtag.

Ihr rechtspolitischer Sprecher, Helge Limburg, gab in der Sitzung des Parlaments am Mittwoch zu bedenken: Mit Sachsen und Bayern bilde Niedersachsen ein Trio, das immer noch »in Amtsverschwiegenheit und Herrschaftswissen« verharre. Deshalb lege die Fraktion den Entwurf für ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz vor. Es soll gewährleisten, dass künftig jede und jeder auf Antrag Zugang zu amtlichen Informationen und auch von Unternehmen der öffentlichen Hand erhält. Und zwar ohne spezielle Begründung und auch ohne dass ein Anlass genannt werden muss. »Der Zugang zu Informationen soll nicht länger eine Art Gnadenakt sein, sondern ein selbstverständliches Recht werden«, bekräftigte Limburg.

Solch ein Recht gewähren nicht nur die übrigen 13 Bundesländer, sondern auch der Bund selbst durch jeweils eigene Informationsfreiheitsgesetze. Beim Bund, er verabschiedete sein IFG 2005, bezieht sich das Informationsrecht auf Bundesbehörden. Innerhalb der Länder geht die Informationspflicht bis hinein in die Kommunen, das heißt: Auch Dorfbürgermeister dürfen nicht »mauern«, wenn sie um Auskunft über amtliche Angelegenheiten gebeten werden. Schutzwürdige Interessen allerdings müssen beachtet werden. Wenn etwa Bürger Meyer wissen möchte, ob Nachbar Schulze stets pünktlich seine Hundesteuer bezahlt oder mit den Müllgebühren im Rückstand ist, muss die Behörde schweigen.

Ihre Grenzen hat die Auskunftspflicht im IFG auch bei militärischen Belangen, bei Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, der Justiz oder bei Betriebsgeheimnissen. Aber bei allen Ausnahmen dürfe es beim Erteilen von Auskünften keine Pauschalverweigerungen geben, unterstrich Helge Limburg. Gelten müsse: »Nur so viel Zurückhaltung von Informationen wie nötig, soviel Transparenz wie irgend möglich.«

Wie die Grünen vermissen auch ihre Oppositionskollegen von der FDP ein IFG. Ein solches diene der qualifizierten Meinungsbildung, sagte Marco Genthe, Rechtsexperte der Liberalen. Eine moderne Verwaltung müsse danach streben, dass Entscheidungsprozesse von der Bevölkerung verstanden werden, hob der Abgeordnete hervor und versprach: Seine Fraktion werde die nun anstehende Diskussion über den Gesetzentwurf der Grünen in den Fachausschüssen »sehr konstruktiv begleiten«.

Sehr zurückhaltend gegenüber einem IFG zeigten sich dagegen Abgeordnete von CDU und SPD. Laut einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), erschienen im März, habe das Thema für Spannungen innerhalb der großen Koalition gesorgt. Die SPD wolle seit langem ein IFG, heißt es da, und wundere sich, warum Justizministerin Barbara Havliza (CDU) in dieser Sache noch nicht aktiv geworden sei. Ihr Ressort, wünschten die Sozialdemokraten damals, solle »möglichst zeitnah« die Erfahrungen anderer Bundesländer mit dem Gesetz auswerten. Das habe noch nicht begonnen, »weil man andere Themen für wichtiger halte«, zitierte die HAZ seinerzeit einen Sprecher der Justizministerin. Sie selbst sagte zu einem IFG am Mittwoch im Plenum nichts.

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