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Prozess gegen Syndikat
Urteil zur Räumung der Neuköllner Kiezkneipe im November
Normalerweise verlassen Neuköllner*innen nur ungern ihren Kiez. Dass am Dienstagvormittag dennoch rund 100 Menschen vor das Landgericht in Moabit gekommen sind, um das Neuköllner Kneipenkollektiv Syndikat bei ihrem Räumungsprozess zu unterstützen, ist daher umso erstaunlicher. Sogar die Sonne ist hervorgekommen und spendet den Unterstützer*innen ein bisschen Wärme. Umringt von einem großen Polizeiaufgebot lauschen sie der Musik aus den Boxen und unterhalten sich angeregt.
Nachdem Kollektivmitglied Christian, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, die Sicherheitsvorkehrungen vorgelesen hat - keine Trillerpfeifen, keine politischen Statements - bildet sich vor dem Eingang eine lange Schlange. Die Kontrollen sind streng, auch wenn die Anwälte des Syndikats einige der Auflagen - etwa das Kopieren der Ausweise aller Teilnehmenden - verhindern konnten. »Auflagen, die nicht an ein Verfahren über ein Vertragsverhältnis, sondern an Terrorprozesse erinnern«, kritisiert das Kneipenkollektiv.
Zu ihrer Freude wird auch der Antrag der Klägerseite auf Ausschluss der Öffentlichkeit von der Richterin zu Beginn des Prozesses abgewiesen. Trotzdem muss mehr als die Hälfte der Unterstützer*innen draußen bleiben - in den kleinen Verhandlungssaal passen nicht mehr als 40 Menschen. Dass die Polizist*innen den Saal verlassen sollen, um mehr Platz zu schaffen, lehnt die Richterin allerdings ab.
Zunächst geht es um die Frage, ob die Klägerin, die Firman Properties S.A.R.L., überhaupt prozessbevollmächtigt ist. Laut Syndikat-Anwalt Benjamin Hersch ist bis heute unklar, wer eigentlich der Eigentümer des Hauses ist. Der auf Französisch vorliegende luxemburgische Handelsregisterauszug sowie eine Vollmacht reichen in seinen Augen nicht aus, um die Existenz des Unternehmens aus dem Firmengeflecht von Pears Global Real Estate zu belegen. »Ein Briefkasten allein ist kein Geschäftssitz«, so Hersch.
Nachdem die Richterin die Anwälte der Klägerseite als Vertreter vorläufig zulässt, versuchen es die drei Syndikats-Anwälte mit einer anderen Strategie: So seien die Schutzrechte, die für Wohnraum gelten, auch für Gewerbemietverträge anzuwenden, da Gewerbe in Berlin mittlerweile ebenso stark von Verdrängung betroffen sei. Eine laut Richterin »sehr gewagte These«, der in Augen von Hersch jedoch durchaus mit einer »sehr gewagten Entscheidung« begegnet werden könne.
Für die Richterin klarer Rechtsbruch, für den sie keine Handhabe sieht. Nachdem die Kläger eine gütliche Einigung - eine Fristverlängerung um sechs Monate oder Verhandlungen über einen neuen Mietvertrag - ablehnen, ist der Prozess nach einer Dreiviertelstunde zu Ende. Die Urteilsverkündung ist für den 26. November angekündigt.
Für Kollektivmitglied Christian ist es damit noch nicht vorbei. »Wir werden jetzt nicht einfach klein beigeben, wir haben über ein Jahr gekämpft, das werden wir auch weiter tun«, sagt er nach dem Prozess. Im September letzten Jahres hatte die Kiezkneipe nach 33 Jahren die Kündigung erhalten. Seit Auslaufen des Mietvertrages Ende Januar läuft der Kneipenbetrieb jedoch einfach weiter, woraufhin Pears Global Räumungsklage einreichte.
Sollte die Richterin dieser stattgeben, will das Kneipenkollektiv Berufung einlegen. Für sie ist klar, dass das Syndikat zum Schillerkiez dazugehört. »Wir sind einer der letzten Rückzugsräume für Nachbarn, der nicht touristifiziert ist«, sagt Christian. Das und noch viel mehr: »Die Kneipen, denen, die drin saufen!«, rufen die Unterstützer*innen.
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