- Politik
- Alice Weidel
Husten, wir haben ein Problem
AfD-Fraktionsvorsitzende Weidel lässt Mann aus Veranstaltung rausschmeißen / Angebliche Kopf-Ab-Geste als Grund
Es scheint eine ganz gewöhnliche AfD-Veranstaltung im baden-württembergischen Weingarten zu sein, die am Samstag stattfand. Alice Weidel, die Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, hetzt gegen Ausländer und die Opposition. Sie bekommt Applaus. Doch dann spricht Weidel in ihrer Rede einen Zuschauer persönlich an: »Sie da vorne mit dem Vollbärtchen, mit dem Pferdeschwanz. Sie haben mir eben 'Kopf-Ab' gezeigt. Ich möchte, dass sie aus dem Raum verschwinden.«
Während noch unklar ist, ob der Mann einen starken Husten hatte und sich deswegen an den Hals fasste, fuchtelt Weidel aufgeregt an ihrem Hals herum. Immer wieder macht sie das nach, was sie glaubt, von dem Zuschauer gesehen zu haben. Dann zeigt sie mit dem Zeigefinger auf die Person, ihre Stimme ist laut, fest und klar: »Hauen Sie ab!«
Unter lauten »Hau ab, hau ab«-Rufen aus dem Publikum verlässt Weidel die Bühne und zeigt, um wen es sich bei dem vermeintlichen Störer handelt. Er wird dann von Ordnern nach draußen gebracht. Doch Weidel reicht das nicht. Sie geht zurück an ihr Rednerpult, macht erneut die 'Kopf-Ab-Geste' und zeigt anschließend wieder mit lang ausgestrecktem Arm in das Publikum. Sie ruft: »Ich schmeiße sie raus! Sie verlassen sofort mit ihrer Entourage diesen Saal! Ich lasse mir sowas von ihnen nicht gefallen.« Das Publikum klatscht, einige Männer johlen vor Begeisterung von Weidels Inszenierung.
Weidel, der Übermensch
Weidel gibt immer noch keine Ruhe. »So. Ich stelle die Frage: Wer will noch gehen? Wer zeigt mir diese Geste?«, fragt sie, zeigt zum x-ten Mal die 'Kopf-Ab-Geste' und guckt prüfend ins Publikum. Sie beendet ihre Schimpftirade mit den Worten: »Unfassbar, weil sie tiefer stehen.« Mit diesem Satz entlarvt sie sich selbst: Sie hat ihre Macht demonstriert, hat eine Person gedemütigt, anstelle erst einmal zu fragen, was für eine Geste die Person gezeigt hat und warum. Mit ihrer insgesamt zwei minütigen Aktion hat sie dem Publikum gezeigt, wer im Saal das Sagen hat. Sie hat sich als eine Führerin dargestellt - laut einem Bericht des Volksverpetzer ein typisch faschistoides Verhalten. »EinE FührerIn wie Frau Weidel zeigt auf einen Menschen, macht ihn zum 'Mann mit Pferdeschwanz' und gibt ihn der eigenen Anhängerschaft zum Abschuss frei. Dabei spielt keine Rolle, was er getan hat oder wer er ist. Ohne zu Zögern fangen die Anhänger an, ihn zu hassen. Grundlos. Nur, weil Frau Weidel das so wollte«, schreibt der Autor Thomas Laschyk.
In sozialen Medien wie Facebook und Twitter wird Weidel von AfD-Anhänger*innen gefeiert, während sich andere über die AfD-Fraktionsvorsitzende lustig machen oder darauf hinweisen, dass es den extremen Charakter von Weidel zeigt, wie sie mit der Situation umging. Sogar der Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) twitterte, dass ihn die Vorstellung an eine der Sturmabteilung der Nazis erinnerte.
Vieles spricht für Husten
Mehrere Medien berichten derweil, dass unklar ist, was die Person bei der Veranstaltung in Weingarten wirklich gemacht hat. T-online.de veröffentlichte einen Artikel, wonach der Mann von AfD-Gegner*innen beobachtet wurde, die an der Veranstaltung teilnahmen, um diese zu stören. Ihrer Aussage nach soll der Mann um Ruhe gebeten haben, als AfD-Gegner*innen bewusst an falschen Stellen von Weidels Rede klatschen. Auf tagesschau.de gibt es einen »Faktenfinder«-Artikel zum Vorfall, der sich auf Statements eines Gemeiderats aus Weingarten stützt. Demnach handele es sich bei dem Mann um einen AfD-Sympathisanten. Die Gruppe »Studis für Weingarten« unterstützt diese Darstellung auf ihrem Facebook-Kanal.
Alice Weidel bleibt laut »Faktenfinder« unterdessen dabei, dass sie die Handbewegung als 'Kopf-Ab-Geste' wahrgenommen hat. Antifaschist*innen dagegen bleiben dabei, dass man bei der AfD gar nicht laut genug Husten kann.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!