Thüringer Rechenkunst

Mike Mohring bricht mit seinem Regierungsvorstoß ein Tabu.

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 5 Min.

Der aufregenden Wahl zum Thüringer Landtag am vergangenen Sonntag folgte ein zweiter Aufreger: Das bisher Undenkbare, eine irgendwie geartete Zusammenarbeit zwischen Linkspartei und CDU, schien plötzlich denkbar, nachdem sich der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring nach der herben Wahlniederlage seiner Partei und dem deutlichen Wahlsieg der Linkspartei demütig gezeigt hatte. Aus Einsicht in die »Verantwortung für das Land« oder mit dem Kalkül der eigenen Beteiligung an der Macht - die Episode ist vorüber. Mohring hat samt seiner CDU die angestammten Positionen im politischen Koordinatensystem wieder eingenommen. Und die Frage lautet eher, wie groß die Gefahr eines Rechtsrucks im Landtag ist - trotz des Wahlerfolgs der Linkspartei.

Mit seiner Absage an jede Art von »Legitimation« der LINKEN hat Mike Mohring ein Patt zu schaffen versucht, in dem er für sich selbst einen Weg an die Regierungsspitze sieht. Zur Option einer Minderheitsregierung Mitte-links kommt nun die einer Minderheitsregierung unter Führung der CDU. Am Mittwoch brachte Mohring nämlich den Vorschlag einer Koalition von CDU, SPD, Grünen und FDP ins Spiel, die wegen der beteiligten Parteienfarben nun als Simbabwe-Koalition kursiert. Auch diese Koalition brächte keine eigene Mehrheit zustande, sondern mit nur 39 Abgeordneten sogar drei weniger als Rot-Rot-Grün. Bei 46 Abgeordneten liegt die absolute Mehrheit im Landtag. Vor allem aber benötigte eine solche Koalition die Zustimmung von Linkspartei oder AfD, um bei der Wahl eines Ministerpräsidenten Mike Mohring auf die nötigen Stimmen zu kommen. Und für eine erfolgreiche Regierungsarbeit brauchte sie sie auch - wenigstens immer wieder aufs Neue.

Minister Benjamin Hoff (LINKE), Chef der Erfurter Staatskanzlei, vergleicht Mike Mohring im nd-Gespräch mit einem angeschlagenen Boxer, der durchaus noch in der Lage ist, einen erfolgreichen Treffer zu landen. Nach dem Wahldesaster in den eigenen Reihen schwer in der Kritik, sucht er sein Heil in der Offensive. Mohrings Simbabwe-Vorschlag ziele, so Hoff, offenbar auf eine Wahl zum Ministerpräsidenten mit verdeckter Unterstützung durch die AfD. Dass Mohring nicht auf SPD oder Grüne zählen kann, ist dabei spätestens seit Mittwoch klar. An dem Tag machten die Unterhändler von Linkspartei, SPD und Grünen in einer ersten Sondierung ihren Willen deutlich, die bisherige Regierungszusammenarbeit fortzusetzen. Dem CDU-Chef bleibt damit nur die FDP.

In beiden Parteien, die Mohring als Kern der »bürgerlichen Mitte« bezeichnet, gibt es allerdings durchaus gemäßigte Teile, die einer Wahl mit Hilfe der AfD heftig widersprechen. Am Freitag wurde das Beispiel des CDU-Landrats Werner Henning zum öffentlichen Thema, der im erzkonservativen Landkreis Eichsfeld unumwunden für eine Unterstützung der Linkspartei spricht. Mohring scheine hingegen darauf zu vertrauen, dass sich ihm im Landtag kein CDU-Abgeordneter in den Weg stellt, so Hoff. Denn gegen seinen Wahlantritt zu sprechen, bedeutete im Umkehrschluss, den Weg für Ramelows Wiederwahl als Ministerpräsident frei zu machen. Das erfordert Mut. Doch Widerspruch gegen den Spitzenkandidaten ist durchaus zu hören.

In der kommenden Woche konstituiert sich die CDU-Fraktion im Landtag. Auch der Wahl Mohrings zum Fraktionschef könnte die Simbabwe-Diskussion nützen, wie Hoff meint. So lange er die Sondierungsgespräche auch mit SPD und Grünen führt, könne er die Loyalität und Rückendeckung seiner Abgeordneten einfordern. So verschafft ihm der Vorschlag einer Simbabwe-Minderheitsregierung zusätzlich Luft. Zeit braucht Mohring schließlich auch, um den Boden für die eigene Wahl zum Ministerpräsidenten auszuloten, selbst wenn am Ende nur die FDP als Koalitionspartner bliebe.

Eine Minderheitsregierung mit einer Basis von 26 der insgesamt 90 Stimmen im Parlament wäre nun erst recht ein Hohn auf das Wahlergebnis vom Sonntag. Dennoch zielt Mohrings jetziges Agieren darauf ab. Trotz ihrer schweren Wahlniederlage verhalte sich die CDU immer noch so, als habe sie vom Wähler einen Regierungsauftrag erhalten, stellt Benjamin Hoff fest. Und denkbar ist eine Wahl Mike Mohrings zum Chef einer schwarz-gelben Koalition auch - mit Hilfe der AfD. Im dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit der Ja-Stimmen. Wenn Ramelow dann mit 42 Abgeordneten der Linkspartei, der SPD und der Grünen rechnen kann, könnte Mohring außer auf die 26 Stimmen von CDU und FDP letztlich nur auf die 22 der AfD hoffen. Allen Unvereinbarkeitsbeteuerungen zum Trotz unterstützte am Freitag auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, der Thüringer Bundestagsabgeordnete Christian Hirte, das Vorgehen Mohrings. Die CDU als »stärkste Kraft der bürgerlichen Mitte« sollte die Initiative übernehmen, Mohring zur Wahl als Ministerpräsident antreten, meinte Hirte gegenüber dem »Redaktionsnetzwerk Deutschland«. Im Wissen, dass dies nicht ohne die Stimmen der AfD erfolgreich sein kann, beteuerte Hirte gleichwohl, natürlich sei eine Koalition oder Duldung von Linkspartei oder AfD für die Christdemokraten ausgeschlossen.

»Alle wissen, dass die AfD Mohring wählen würde, um Rot-Rot-Grün zu verhindern«, zeigt sich Katharina König-Preuss überzeugt, Thüringer Landtagsabgeordnete und eine der im Kampf gegen rechte Strukturen profiliertesten Politikerinnen der Linkspartei. Die Unterstützung einer Regierung Mohring durch die LINKE hält König-Preuss für ausgeschlossen. Ihre Partei könne eine solche Regierung nicht unterstützen - etwa mit einer Duldung. »Ein massiver Rechtsruck in Thüringen wäre die Folge.« Auf einem Podium, zu dem der Sozialwissenschaftler Klaus Dörre kürzlich geladen hatte, machten zumindest die anwesenden Landtagsabgeordneten von CDU und FDP keinen Hehl daraus, dass sie die Wahl eines CDU-Ministerpräsidenten durch die AfD für das kleinere Übel gegenüber einer Unterstützung der Linkspartei durch die CDU halten. Katharina König-Preuss, die an dem Podium teilnahm, empfand die Relativierung aller Warnungen vor der AfD als alarmierend. »FDP und CDU verkennen die Gefahr, die von einer solchen Normalisierung im Umgang mit der AfD ausgeht«, sagt sie. Eine Duldung durch die AfD in Kauf zu nehmen für einen kurzfristigen Erfolg im Kampf um die Macht werde einen langfristigen Schaden für die demokratische Gesellschaft nach sich ziehen.

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