Neue bürgerliche Regierung steht

Rumäniens neoliberaler Premier Ludovic Orban ist auf Stimmen sozialdemokratischer Dissidenten angewiesen

  • Silviu Mihai, Bukarest
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war eine Zitterpartie, aber am Ende hat es doch geklappt: Rumänien hat wieder eine Regierung. Die Nationalliberale Partei (PNL) konnte im Parlament 240 von benötigten 233 Stimmen bekommen, und sich so gegen den Sitzungsboykott der Sozialdemokraten (PSD) durchsetzen. Bis zur letzten Minute galt es als offen, ob diejenigen Dissidenten aus dem linken Lager, die im vergangenen Monat das erfolgreiche Misstrauensvotum gegen das eigene Kabinett unterstützt hatten, auch bereit sind, einem Oppositionskandidaten das Vertrauen auszusprechen. Wäre dies nicht passiert, so hätte die abgesetzte Premierministerin Viorica Dăncilă noch lange geschäftsführend im Amt bleiben müssen, was einer Verschiebung wichtiger Entscheidungen über das Budget und den rumänischen EU-Kommissar gleichgekommen wäre.

Neuer Ministerpräsident ist der PNL-Vorsitzende Ludovic Orban: Mit seinem ungarischen Amtskollegen verbinden ihn lediglich die Namensähnlichkeit und die Zugehörigkeit zur konservativen Familie der Europäischen Volkspartei (EVP). Ansonsten sind weder die rumänischen Liberalen noch ihr Chef durch nationalistische oder autoritäre Positionen aufgefallen. Vielmehr vertreten sie die klassischen Themen des Wirtschaftsliberalismus, stehen dem Geschäftsmilieu nah und unterstützen brav die zweite Kandidatur des Staatschefs Klaus Johannis bei der Präsidentschaftswahl, die am kommenden Sonntag stattfindet. In der Außenpolitik fährt die PNL einen ebenfalls braven proeuropäischen Kurs, der sich bisher in der Regel an der Linie Angela Merkels orientierte.

Anders als Viktor Orbán hat Ludovic Orban keinerlei Ambitionen, auf der EU-Bühne den Spielverderber oder gar den »kleinen Diktator« zu spielen. Dies wäre im politischen Kontext Rumäniens auch nicht möglich. Nicht nur, weil der euroskeptische Rechtspopulismus hierzulande auf keinen großen Zuspruch stößt, sondern weil die Liberalen über keine stabile Mehrheit im Parlament verfügen. Das neue Kabinett bleibt auch nach dem knapp gewonnenen Vertrauensvotum auf sozialdemokratische Dissidenten angewiesen, was einen politischen Richtungswechsel erschweren dürfte. Dies wird sich spätestens in wenigen Wochen zeigen, wenn das Haushaltsgesetz für 2020 verabschiedet werden muss.

Aus der Perspektive derjenigen Rumänen, die nicht zu der oberen Mittelschicht gehören, sind die fehlenden Mehrheiten nicht unbedingt schlimm, denn der eingeschränkte Spielraum macht die PNL kompromissbereit: Während sie in der Opposition die Mindestlohn- und Rentenerhöhungen der Sozialdemokraten noch scharf kritisierte, verspricht sie jetzt, nichts rückgängig zu machen. Auch der neue Finanzminister Florin Cîtu, der für seine neoliberalen Thesen bekannt war, schlägt jetzt gemäßigtere Töne und verzichtet zunächst auf die vorher angekündigten Privatisierungen im Gesundheitssektor. Dies könnte sich ändern, falls der PNL-Kandidat Klaus Johannis bei den Präsidentschaftswahlen einen haushohen Sieg einfährt oder seine sozialdemokratische Gegnerin Viorica Dăncilă nicht in die Stichwahl kommt, wie manche Umfragen vorhersagen. Dann könnten nämlich die Liberalen wieder auf ihre ursprünglichen Maximalforderungen pochen, um vorgezogene Parlamentswahlen zu forcieren und sich damit eine komfortable Mehrheit zu sichern.

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