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Der Energiespender
Achraf Hakimi dreht für Dortmund das Spiel gegen Inter Mailand. Selbstbewusst fährt der BVB nun zum FC Bayern
Spät in dieser wundersamen Fußballnacht kam es zu einer letzten zufälligen Begegnung des Helden mit seinem Trainer. Der zweifache Torschütze Achraf Hakimi eilte gerade einem Kleinbus entgegen, als Lucien Favre auftauchte und ihm mit erhobenem Zeigefinger ein paar letzte Worte zuraunte. Dann verschwand Hakimi, flankiert von ein paar Kumpels, offenbar, um seinen 21. Geburtstag nachzufeiern.
Doch Favre kennt seine Jungs: Zuletzt musste er mit ansehen, wie sich Jadon Sancho ein wenig zu sehr seiner Hybris hingab und nun längst nicht mehr so brillant Fußball spielt wie in seinen besten Phasen. Also konnte auch Hakimi ein wenig Erdung gebrauchen, denn der Marokkaner fliegt spätestens nach dem 3:2 gegen Inter Mailand weit oben in den Sphären der Fußballgötter.
Mit 0:2 hatten die Dortmunder in dieser richtungsweisenden Partie zur Pause zurückgelegen, wieder waren ihnen vermeidbare Fehler beim Verteidigen passiert, der zarte Aufschwung der vergangenen Tage drohte ernsthaft Schaden zu nehmen. Doch Hakimis Energie machte eine kaum für möglich gehaltene Wende wahr. Zwei Tore schoss der noch bis zum Sommer von Real Madrid ausgeliehene Profi, damit hat er als gelernter Rechtsverteidiger vier der fünf Dortmunder Champions-League-Treffer der laufenden Saison erzielt.
Das Tor zum 1:2 war typisch für das unberechenbare Spiel dieses besonderen Fußballers. Am Mittelkreis eroberte er den Ball, und während der Angriff weiterlief, sprintete er in den Strafraum, um am Ende einen Rückpass von Mario Götze aus kurzer Distanz ins Tor zu lenken. Hakimi hatte Räume gefunden, in denen Rechtsverteidiger meist nur in Fällen akuter Orientierungslosigkeit auftauchen. »Er bringt uns diese Gier, diese Verrücktheit, diese läuferische Intensität, das tut unserem Spiel sehr gut«, sagte Sebastian Kehl, der Leiter der Profiabteilung.
Danach wirkte die Mannschaft, als habe jemand die Energiezufuhr aufgedreht; Julian Weigl sollte später von einem »Rausch« sprechen. Julian Brandt gelang das 2:2 (64.), bevor Hakimi auch noch den Siegtreffer erzielte (77.) »Er ist extrem offensiv, egal, ob er Verteidiger spielt oder Flügelspieler«, sagte Favre später über Hakimi. Seinen Worten war eine gewisse Zerrissenheit zwischen Begeisterung und Widerstand zu entnehmen. Favre mag Kontrolle, während Hakimi stets bereit ist, taktische Pflichten und verabredete Pläne zugunsten der offensiven Chance aufzugeben. »Er will immer nach vorne«, sagte Favre, »er spürt die Situation sehr gut.« Deshalb spielte Hakimi zuletzt oft auf dem offensiven Flügel.
An diesem Abend kam er aber mal wieder in der Abwehr zum Einsatz, und dort erkannte der ehemalige Weltklasseverteidiger Per Mertesacker als TV-Experte eine gewisse Mitschuld Hakimis am 0:1 von Lautaro Martinez in der 5. Minute. Der Dortmunder hätte seinen Kollegen Manuel Akanji besser absichern können. Aber das war Kritik auf sehr hohem Niveau, denn der Hauptfehler war Akanji unterlaufen. Sicherlich konnte Hakimi diesen nicht mehr ausbügeln, doch wer ihn und seine wilde Lust an der Offensive will, muss eben die Schattenseiten dieser Spielweise aushalten.
Am Ende waren auch alle dankbar, dass Hakimi endlich mal wieder diesen Dortmunder Stil aufgeweckt hatte, den alle so lieben. »Das war richtiger BVB-Fußball, sehr intensiv, sehr mutig«, schwärmte Kehl.
Schon in der ersten Hälfte spielte die Mannschaft nicht diesen übergeduldigen Sicherheitsfußball, wie er zuletzt häufiger zu sehen war. Die Mannschaft fand viele Wege in den Strafraum. Der Haken: Zwei kleine Fehler wurden mit zwei Gegentreffern bestraft. Favre aber war nicht sauer, das Offensivspiel hatte ihm gefallen, der BVB habe insgesamt mit viel »Geduld, Tempo und Intensität« agiert, sagte der Trainer.
Immer noch lag dabei eine sanfte Euphorie in Favres Stimme, eine halbe Stunde zuvor war er in den finalen Minuten an der Seitenlinie herumgesprungen, als müsse er höchstpersönlich die Schlussoffensive Mailands bremsen. So gab es sogar Lob von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der sich in den Wochen zuvor intern kritisch über den Schweizer geäußert haben soll. »Auch er hat überlegt: Was kann ich verändern? Das gefällt mir«, sagte Watzke über Favres Entwicklung.
Rechtzeitig zum Duell beim FC Bayern scheinen die Dortmunder wieder zu sich gefunden zu haben: Der Trainer ist zufrieden, der Spielstil findet Anerkennung. Und in Hakimi haben sie nun auch einen aufblühenden Star in Hochform.
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