Polizisten schlagen Kameruner

Gewalt im Sozialamt von Märkisch-Oderland wird ein Nachspiel im Landtag haben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Seit Monaten berichten deutsche Medien über Polizeigewalt in Hongkong. Nun sind chinesische Journalisten an einem Fall aus der Bundesrepublik dran. Anlass ist ein verwackeltes Handyvideo, aufgenommen am Montag im brandenburgischen Diedersdorf. Dort zahlt das Sozialamt von Märkisch-Oderland das Geld an die im Landkreis lebenden Asylbewerber aus, das ihnen pro Monat zusteht.

Das Video zeigt einen schwarzen Mann vor dem Auszahlungsschalter. Mit einem Arm hat er durch den Schlitz unten gegriffen und sich festgekrallt. Drei Polizisten stehen um ihn herum, einer redet auf ihn ein. Mit den Fingern zeigt der Beamte an, dass er jetzt bis drei zählen werde. Wenn der Asylbewerber dann nicht freiwillig loslässt und den Raum verlässt, werden andere Seiten aufgezogen. Zwischendurch wendet sich der Polizist genervt ab, geht ein paar Schritte, hält dann wieder die Finger seiner Hand vor dem Gesicht des Flüchtlings hoch. Bei Drei springt er schließlich unvermittelt auf den Flüchtling los und schlägt mehrmals wuchtig auf dessen Arm, damit er loslässt. Seine beiden Kollegen packen auch zu, bekommen den Asylbewerber aber nicht so leicht weggezogen. Ein weiterer Polizist rät aus dem Hintergrund, es solle doch mal jemand in die Kabine gehen und den angewinkelten Unterarm des Flüchtlings herunterdrücken, damit dieser den Halt verliert und sich wegziehen lässt. Diese Taktik wäre vielversprechender und weniger schmerzhaft als die erfolglosen Hiebe auf den Oberarm. Doch die Kollegen bekommen den Asylbewerber dann auch so in den Griff. Allerdings strampelt er, reißt sich kurz los und krallt sich erneut an der Scheibe fest - diesmal mit beiden Armen. Das Gerangel geht weiter.

An der Tür zum Vorraum streckt eine Polizistin die Hände hoch und versucht so, der Handykamera die Sicht zu versperren. Man kann aber weiter erkennen, wie ein Polizist auf den Asylbewerber einschlägt, bis die Tür zum Vorraum zugestoßen wird. Das Video läuft weiter. Durch die milchige Glastür ist das Geschehen noch schemenhaft zu erkennen. Eine Zeugin schreit gequält auf. Ein Polizist ermahnt die Flüchtlinge im Vorraum, sich zu beruhigen. Er kommandiert mehrfach: »Handys runter!«

Nicht alle verstehen das. Einer beschwert sich, man wolle ihm das Mobiltelefon wegnehmen. Keineswegs, wird ihm bedeutet. Er solle nur nicht filmen. Die Kommunikation läuft zweisprachig. So schimpft ein Mann auf Englisch, wenn die Polizei ihn schlagen wolle, so solle sie das tun. Die deutsche Auskunft, er werde nicht geschlagen, trägt nicht zur Beruhigung der Situation bei. In einer Bildeinstellung sieht man das Bein einer Frau, die offenbar gestürzt am Boden liegt. Dann bricht die Aufnahme ab.

Was ereignete sich vorher und nachher und was geschah außerhalb des Blickwinkels der Kamera? Der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (LINKE), von Beruf Polizist, weiß es nicht. Das Video wirft aber für ihn Fragen auf, die er im Innenausschuss des Parlaments beantwortet haben möchte. Das kündigt Büttner am Donnerstag an.

Einer Polizeimeldung zufolge soll der 28-Jährige aus Kamerun eine höhere Auszahlung erwartet haben, als ihm zugestanden habe. Da er sich nicht vom Sicherheitsdienst beruhigen ließ und den Schalterraum nicht ohne den vollen Betrag verlassen wollte, so heißt es, sei die Polizei gerufen worden. Zunächst sollen zwei Beamte gekommen sein, die Verstärkung anforderten, als sich andere Flüchtlinge einmischten. Der Kameruner habe um sich geschlagen und getreten, wobei ein Wachmann leicht verletzt worden sei. Dann habe sich der 28-Jährige bewusstlos gestellt, weswegen ihn ein Rettungswagen ins Krankenhaus nach Strausberg transportierte. Eine Untersuchung habe ergeben, dass er weder Alkohol noch Drogen konsumiert hatte. »Als er sich beruhigt hatte, erklärten ihm Polizisten, dass er angezeigt wurde wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Danach wurde er entlassen«, steht in der Polizeimeldung.

Beim Kurznachrichtendienst Twitter berichtet Marisa Janson, sie gebe Deutschkurse für Flüchtlinge. Eine Schülerin, die dabei war, habe ihr erzählt, der Flüchtling sei am Bein verletzt worden. Es sei, wenn Janson das richtig verstanden hat, eine Injektion verabreicht worden, die den 28-Jährigen bewusstlos gemacht habe. Thomas Behrendt, Sprecher der Kreisverwaltung, erfuhr am Montag, dass es Ärger in Diedersdorf gibt, schon bevor die Polizei gerufen wurde. Denn die Sozialamtsleiterin informierte ihn vorher telefonisch.

In Märkisch-Oderland ist es so, dass Flüchtlinge an einem festgesetzten Tag im Monat persönlich im Sozialamt erscheinen müssen, um sich ihr Geld abzuholen. Der 28-Jährige, der im Asylheim in Gusow-Platkow gemeldet ist, soll seinen Termin am 7. Oktober verpasst haben. Ein paar Tage später rechtfertigte er sich damit, er habe wegen eines Rechtsanwaltstermins nicht pünktlich kommen können. Normalerweise hätte ihm dafür sofort die Auszahlung gekürzt werden müssen, erläutert Behrendt. Das Sozialamt habe aber der Bitte, er benötige doch das ohnehin knappe Geld dringend, ausnahmsweise entsprochen und die vollen 310 Euro ausgezahlt - mit der Auflage, beim nächsten Mal eine schriftliche Bestätigung des Anwalts mitzubringen. Die habe er dann aber am 4. November nicht vorweisen können. Deshalb habe er einstweilen lediglich 103 Euro erhalten. Die Differenz von 207 Euro könne er noch bekommen, wenn er bis zum 11. November die verlangte Bescheinigung vorlege.

Die Deutschschülerin von Marisa Janson schildert dem »nd«, sie habe gehört, wie der Kameruner sagte, er werde nicht gehen, bevor ihm erklärt werde, warum er sein Geld nicht bekomme. Sie habe nicht gesehen, dass er Polizisten geschlagen habe, sondern nur, dass die Polizisten ihn schlugen.

Der Willkommenskreis Neuhardenberg rügt, dass Flüchtlinge in Märkisch-Oderland ihre Stütze nicht überwiesen bekommen, so wie es in anderen Landkreisen gehandhabt werde. Schließlich sei die Fahrt zum abgelegenen Sozialamt aus den ebenso abgelegenen Asylheimen mit Bus und Bahn kompliziert. Die ganze Verfahrensweise sei umständlich und demütigend. Wenigstens können die Asylbewerber ihre Schecks inzwischen gleich im Sozialamt an einem extra Schalter der Sparkasse einlösen. Früher mussten sie dazu in eine gewöhnliche Sparkasse gehen, wo sich am Auszahlungstag lange Schlangen bildeten. Wegen der Wartezeiten führte das zu unnötigen Konflikten mit davon genervten Einheimischen.

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