Bahn legt wichtige Vorhaben auf Eis

Aufsichtsrat stoppt offenbar Arriva-Verkauf wegen Brexit

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Schatten der anhaltenden Krise des bundeseigenen Konzerns beriet der Aufsichtsrat der Deutsche Bahn AG (DB) am Donnerstag bei einer außerordentlichen Sitzung über wichtige Zukunftsfragen. Bei dem Treffen wurde die bisherige Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe, Sigrid Nikutta, zum Vorstand für die Güterverkehrssparte DB Cargo ernannt, wie aus Kreisen des Kontrollgremiums verlautete. Bisher war dafür Finanzvorstand Alexander Doll mit zuständig, dessen Stuhl laut Insiderinformationen wackelt. Die defizitäre DB Cargo leidet unter sinkenden Marktanteilen. Weitere Gutachten und Pläne zur Schrumpfung der Güterverkehrsinfrastruktur sorgen bei Beschäftigten und Gewerkschaften für Unmut.

Für Kritik sorgten auch Pläne, die Gehälter der Spitzenmanager um 33 Prozent zu erhöhen. »Das ist echt der Gipfel. Unsere Kollegen sollen ihre tariflichen Rechte bei der Schichtplanung aufgeben und für lau stramm stehen, damit die Züge abgefahren werden können, und gleichzeitig stopft sich der Bahnvorstand die Taschen voll«, schimpfte Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL. Ein Gehaltsplus von 185 000 Euro auf 585 000 Euro für einzelne Vorstandsmitglieder sei »ein falsches Signal«, erklärte auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Damit war klar, dass der Aufsichtsrat die geplante Anhebung ablehnen würde.

Schwerpunkt der Sitzung war indes erneut der geplante Verkauf der Auslandstochter DB Arriva. Erst 2010 hatte der DB-Vorstand im Zuge der angestrebten Ausdehnung zum »Global Player« den Verkehrskonzern mit Sitz im englischen Sunderland erworben. Arriva war mit der Privatisierung von Bahn- und Busverkehr in Großbritannien groß geworden und betreibt derzeit mit dem roten DB-Emblem in 14 europäischen Ländern mit 62 000 Beschäftigten Bahnen und Busse. Beim Erwerb war der damalige Investmentbanker Alexander Doll als Berater beteiligt. Er wechselte Ende 2017 von der Barclays Bank in den DB-Vorstand und gilt nun auch in Sachen Arriva-Verkauf als maßgeblicher Akteur.

Der bisher auch von der Bundesregierung favorisierte Verkauf soll der finanziell angeschlagenen Bahn Einnahmen in Milliardenhöhe bringen. Im Gespräch ist ein Komplettverkauf an einen finanzstarken Investor wie die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft Carlyle. Der britische Sender Sky berichtete, Carlyle biete 2,5 Milliarden Euro. Andere Meldungen wiederum besagen, dass ein Komplettverkauf aufgrund der Verunsicherung im Zusammenhang mit dem Brexit vorerst auf Eis gelegt werde. Gleichzeitig scheinen manche Bahn-Manager mit einem schubweisen Börsenverkauf von Arriva-Aktien in den Niederlanden zu liebäugeln, wo die Konzerntochter besonders stark vertreten ist.

Im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung ließen allerdings Medienberichte aufhorchen, wonach sämtliche Pläne ausgesetzt werden sollen. Begründet wird dies mit der Verunsicherung im Zusammenhang mit dem immer noch nicht vollzogenen Austritt Großbritanniens aus der EU. Die von der Brexit-Hängepartie ausgehende Verunsicherung könne sich negativ auf den erhofften Erlös auswirken, befürchten Insider. Dieser läge erheblich unter dem Buchwert. DB-Sprecher wollten sich auf nd-Anfrage nicht zu den Meldungen über eine Aussetzung des Verkaufs und eine Positionierung des DB-Vorstands in dieser Frage äußern. Dies lässt vermuten, dass hinter den Kulissen im Berliner Bahn-Tower heftige Auseinandersetzungen um die Strategie des angeschlagenen Konzerns laufen.

Grundsätzliche Kritik am geplanten Verkauf kommt vom privatisierungskritischen Netzwerk Bahn für Alle. Die Interessen von Beschäftigten und Fahrgästen dürften nicht vom Renditedruck privater Anleger beherrscht werden, so ein Sprecher. Die britische Eisenbahnergewerkschaft RMT nannte es »unerträglich, dass es ein Gremium in Berlin in der Hand hat, ob Tausende Arbeitsplätze bei britischen Bahnen in der Schwebe hängen«. RMT-Generalsekretär Mick Cash forderte eine Überführung von Arriva in öffentliches Eigentum. Die von der Labour-Partei unterstützte Forderung nach Wiederverstaatlichung der Bahnen in Großbritannien wird auch im anstehenden Unterhauswahlkampf ein wichtiges Thema sein.

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