- Politik
- Islamischer Staat
Türkei schiebt IS-Mitglieder ab
Ankara will zehn festgesetzte deutsche Staatsbürger zurückschicken / Deutsche Hilfsorganisation angegriffen
Berlin. Die Türkei will in Kürze zehn deutsche Staatsbürger mit Verbindungen zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) abschieben, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Ein erster Deutscher sollte noch am Montag ausgewiesen werden, teilte das türkische Innenministerium mit. Sieben weitere Deutsche würden am Donnerstag folgen, bei zwei anderen deutschen Bürgern laufe das Verfahren zur Ausweisung. Die Bundesregierung bestätigte die Pläne, erklärte aber, der am Montag bereits abgeschobene Deutsche habe keine Verbindung zur IS-Miliz gehabt.
Der Sprecher des türkischen Innenministeriums, Ismail Catakli, sagte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, am Montag sei auch ein US-Dschihadist des Landes verwiesen worden. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte, dass neun Deutsche am Donnerstag und Freitag abgeschoben werden sollten. Es sei aber noch unklar, ob es sich bei ihnen tatsächlich um IS-Anhänger handele. Bei den zehn Betroffenen handele es sich um drei Männer, fünf Frauen und zwei Kinder.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die Bundesregierung widersetze sich grundsätzlich nicht der Abschiebung deutscher Bürger nach Deutschland. Dies sei schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Es sei aber wichtig, dass es ein geregeltes Verfahren gebe und die Identität der Betroffenen geklärt sei, damit die Sicherheitsbehörden eine Einschätzung vornehmen könnten, sagte der Sprecher.
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hatte am Freitag angekündigt, dass die Türkei am Montag beginnen werde, ausländische IS-Anhänger in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Seinen Angaben zufolge befinden sich derzeit 1200 ausländische IS-Anhänger in türkischer Haft.
Die kurdisch geführte Militärallianz der Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) hält im Nordosten Syriens bis zu 3000 ausländische IS-Kämpfer sowie rund 12 000 ihrer Angehörigen fest. Trotz des Drängens der SDF hat die internationale Staatengemeinschaft bisher nur in wenigen Fällen ihre Staatsbürger zurückgenommen. Seit dem türkischen Angriffskrieg gegen das nordsyrische Rojava ist nach kurdischen Angaben mehreren Hundert IS-Mitgliedern und ihren Familien die Flucht gelungen. Nach Angaben der oppositionellen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sollen mindestens acht IS-Kämpfer auf Seiten der mit der Türkei verbündeten syrisch-arabischen Milizen kämpfen. Der Vorsitzende der Beobachtungsstelle, Rami Abdul Rahman, schätzte, dass es insgesamt mehrere Hundert Personen sein könnten. Kurdische Quellen berichteten mehrfach von Verbindungen zwischen IS-Anhängern und der Türkei.
Auch trotz zwischen Moskau, Ankara und Washington ausgehandelten Waffenruhen setzt die türkische Armee derweil ihre Angriffe in Rojava fort. Am Sonntag wurde dabei ein Rettungsfahrzeug der deutschen Hilfsorganisation Cadus während eines Einsatzes angegriffen. Laut der unabhängigen Organisation seien ein Sanitäter und ein Fahrer schwer verletzt worden. Das Fahrzeug könne nicht mehr eingesetzt werden. Nach Cadus-Angaben fand der mutmaßlich türkische Angriff außerhalb des aktiven Kampfgebietes statt. »Der erneute Bruch der Genfer Konvention muss restlos aufgeklärt werden«, teilte die Organisation in einer Erklärung mit. nd mit Agenturen
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.