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Fragiler Friedensschluss
Mit einer Doppelspitze will Sachsens LINKE zu neuer Geschlossenheit finden
Nein, sie hat sich nicht nach dem Amt gedrängt. »Hätte man mich vor dem 1. September gefragt, ob ich an die Spitze will - ich hätte verneint«, sagt die sächsische LINKE-Politikerin Susanne Schaper. Man hat sie aber erst nach dem Tag der Landtagswahl gefragt, bei der die Partei von 18,9 auf 10,4 Prozent abstürzte und in eine schwere Krise geriet: Rücktrittsforderungen, Resignation, Ratlosigkeit. In der Hälfte der Landkreise ist mangels Abgeordneter im Landtag »die Arbeitsfähigkeit in Frage gestellt«, sagt Schaper. Als sie gefragt wurde, ob sie die Partei aus der Misere herausführen wolle, sagte sie zu.
Die 41-jährige Chemnitzerin übernimmt den Spitzenjob indes nicht allein, sondern zusammen mit dem zehn Jahre älteren Stefan Hartmann aus Leipzig. Die LINKE im Freistaat installiert damit erstmals eine Doppelspitze. Diese ist Teil eines umfangreichen Personalpakets, das auf einem Parteitag am Wochenende in Dresden zur Wahl gestellt wurde und mit dem der Einsicht Rechnung getragen wird, dass ein erheblicher Teil der Wahlniederlage »hausgemachte Ursachen« hat, so die neue Vorsitzende. Die Partei in Sachsen ist notorisch zerstritten. Flügel und Strömungen belauern sich argwöhnisch. Konzepte werden oft weniger nach dem Inhalt als danach beurteilt, wer ihr Urheber ist. Bei der Besetzung von Posten ist maßgeblich, welches Lager so Zugriff auf Ressourcen erhält. Der Zustand ist keineswegs neu; ein führender Genosse spricht sarkastisch von einem »Dreißigjährigen Krieg« in der Landespartei.
Mit der Wahl des neuen Vorstands und einem zuvor beschlossenen Leitantrag sollte nun eine Art »Westfälischer Frieden« besiegelt werden: ein austariertes Paket, an dem alle Gruppen beteiligt sind. Die Partei sei, sagt Hartmann mit Hinweis auf Bremen, Berlin oder Thüringen, dort stark, wo die Genossen »trotz aller Differenzen gemeinsam hinter einer Aufgabe stehen«. Bei aller erwünschten Pluralität solle im Vordergrund stehen, »was uns verbindet«. Der Chemnitzer Ralf Becker ergänzte, wenn innerparteiliche Vielfalt nicht zu »in die Gesellschaft wirkender Geschlossenheit« finde, sei sie »unfruchtbar und unproduktiv«. »An dieser Stelle stehen wir heute«, fügte er hinzu.
Der Wille, die alten Gräben zu verlassen, ist in der Partei unter dem Eindruck der Krise spürbar. Maßgebliche Autoren des Leitantrags sind Hartmann, der im »Forum demokratischer Sozialismus« aktiv ist, sowie Volker Külow, Protagonist des traditionalistischen »Liebknecht-Kreises«. Sie gelten als Antipoden. Auch das Personalpaket für den Vorstand sei als »Gesamtwerk« zu sehen, sagte die Dresdner Europa-Abgeordnete und Ex-Landesvorsitzende Cornelia Ernst. Sie hoffe, dass es »nicht nur toleriert oder gebilligt, sondern unterstützt« werde, appellierte sie vor der Wahl an die fast 200 Delegierten.
Der Wunsch ging freilich nur teilweise in Erfüllung. Dass Schaper und Hartmann mit mageren Ergebnissen von 60,1 und 62,4 Prozent gewählt wurden, war erwartet worden. Ihre Unterstützer hätten allzu glänzende Ergebnisse für den Bewerber der jeweils anderen Seite vermeiden wollen, hieß es. Dass aber die Plauenerin Janina Pfau, die bei der Landtagswahl ihr Mandat verloren und im Anschluss harte Kritik an mangelnder Solidarität mit ländlichen Regionen bei der Listenaufstellung geübt hatte, mit 52 Prozent nur ganz knapp zur Landesgeschäftsführerin gewählt wurde, war ein erster Dämpfer. Ein weiterer folgte, als ihr Vorgänger Thomas Dudzak als Schatzmeister scheiterte. Obwohl Hartmann ihn wegen seiner Erfahrung als »Anker« im neuen Vorstand empfohlen hatte, unterlag er Andrea Kubank aus Bautzen. Neue stellvertretende Landesvorsitzende wurden die Ex-Abgeordnete Kathrin Kagelmann mit 78 Prozent und der 26-jährige Kommunalpolitiker Alexander Weiß aus Hohenstein-Ernstthal mit 65 Prozent.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das neue Führungsduo in seine Aufgaben findet. Schaper, die Krankenschwester war, sich im Landtag extrem fleißig um Sozial- und Gesundheitsthemen kümmert und als Fraktionschefin im Chemnitzer Stadtrat die Strippen im dort bis Mai bestehenden rot-rot-grünen Bündnis zog, dürfte sich eher um die Abstimmung mit der Fraktion kümmern und als bekannte Landespolitikerin das Gesicht der Partei nach außen sein. Dass sie intern als »sanftmütige Vermittlerin« wirken wird, wollte sie nicht versprechen. Diese Rolle dürfte Hartmann zukommen, der auch bisher im Hintergrund wirkte und als theoretischer Kopf gilt. Er war Mitarbeiter des sächsischen Fraktionschefs Rico Gebhardt, berät mit Dietmar Bartsch dessen Amtskollegen im Bundestag und sitzt im LINKE-Bundesvorstand. Bei seiner Bewerbung kündigte er an, Gremien installieren zu wollen, die Fäden etwa zur kommunalen Basis, zu Gewerkschaften, Bewegungen und Neumitgliedern spinnen sollen. Er wolle ein »linkes Rätesystem«.
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