Platzmangel in Frauenhäusern

Giffey stellt neue Zahlen zur Partnerschaftsgewalt vor / 122 Frauen wurden 2018 getötet

Alle drei Tage wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Das zeigen die aktuellen Zahlen, die Familienministerin Franziska Giffey anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen vorstellte. Seit 2015 veröffentlicht das Bundeskriminalamt jährlich einen Bericht zu Partnerschaftsgewalt.

Die erfassten Daten zeigen einen erneuten Anstieg auf 140.755 Fälle im Jahr 2018 (2017: 138.893). Giffey führt die gestiegenen Zahlen auch auf eine höhere Bereitschaft, Anzeige zu erstatten, zurück. Die Dunkelziffer ist nach Angaben der Polizei enorm. Sie ging noch 2018 davon aus, dass lediglich rund 20 Prozent angezeigt werden.

Mit über 80 Prozent sind weiterhin vor allem Frauen die Opfer. 122 von ihnen wurden getötet. Das ist ein leichter Rückgang zum Vorjahr, in dem 147 Frauen von ihren Partnern und Ex-Partnern getötet wurden. Die neuen BKA-Zahlen bezeichnete die Ministerin als »alarmierend«. Angesichts dieser Zahlen erklärte LINKE-Chefin Katja Kipping: »Jedes Frauenhaus, das schließen muss, ist ein politischer Betrag zu diesen Morden.«

Daher spricht sich Giffey für einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus aus. Dem schließen sich die Grünen an. Ulle Schwaus frauenpolitische Sprecherin weist aber darauf hin, dass die Häuser »gravierend unterfinanziert« seien.

Bei der Platz- und damit Personalfinanzierung der Frauenhäuser gibt es nach wie vor das größte Defizit. Das bestätigte Katja Grieger vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe | Frauen gegen Gewalt e.V. gegenüber »nd«: »Unterstützungseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen arbeiten nach wie vor am Rande ihrer Kapazitäten und brauchen dringend mehr Personal.«

Bislang ist die Förderung allein Ländersache und wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Frauen, die einen Platz im Frauenhaus wollen, müssen unter Umständen Kosten für den Platz selbst finanzieren. Das können zwischen 1000 und 6000 Euro monatlich sein.

Die zusätzlichen Mittel von 120 Millionen Euro, die in den nächsten vier Jahre zur Verfügung gestellt werden, sind ebenfalls nicht für Personalkosten bzw. zur Platzfinanzierung gedacht. Diese sollen vor allem für den Aus-und Umbau von Beratungsstellen und Frauenhäusern eingesetzt werden. Grieger hofft, »dass mehr Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser barrierefrei umgestaltet werden können«.

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Auch die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) begrüßte die Pläne. Doch diese kritisierte, dass eine Neuregelung zur Finanzierung des Frauenhausaufenthaltes bisher kein Bestandteil des Bundesprogramms »Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen« ist. Außerdem befürchten sie, dass der Anspruch auf einen Platz auf Grundlage individueller Rechtsansprüche ausgestaltet wird. Diese böten ihrer Ansicht nach keinen niedrigschwelligen und unbürokratischen Zugang, da viele Frauen diesen Anspruch nicht geltend machen könnten.

Neben den finanziellen Problemen der Frauenhäuser gibt es viel zu wenig Plätze. Der Bedarf liegt bei rund 20.000, wie Giffey erklärte. Allerdings gibt es gerade einmal 350 Frauenhäuser mit rund 7000 Plätzen in Deutschland.

Gegenüber »nd« kritisiert Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, die Bundesregierung scharf: »Mit den Zahlen zu häuslicher Gewalt präsentiert die Bundesregierung ihr eigenes Versagen«. Sie fordert umfangreiche Studien, die alle Formen von Gewalt an Frauen berücksichtigen, auch die digitale Gewalt. Ohne diese könnten kaum adäquate Maßnahmen ergriffen werden. Darüber hinaus kritisiert auch Möhring den fehlenden »Ausbau und die bedarfsgerechte Finanzierung der Beratungsstrukturen«.

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