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Oligarch gegen Nationalbank
In der Ukraine fordert Ihor Kolomojskyj milliardenschwere Entschädigungszahlungen
»Ihor Kolomojskyj will das Ende der Beziehungen zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Ukraine.« Mit diesen Worten sorgte der Chef der ukrainischen Nationalbank, Jakow Smolij, am Dienstag für Aufsehen. Kolomojskyj setze seine Behörde durch Medienkampagnen, Demonstrationen und sogar Einbruchsversuche unter Druck, kritisierte Smolij.
Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen der Nationalbank und dem Oligarch ist der Konkurs von Kolomojskyjs Privatbank, bis Ende 2016 das größte Geldinstitut in der Ukraine. »Kolomojskyj schuldet dem Land 5,5 Milliarden US-Dollar, die vor der Verstaatlichung Ende 2016 abgehoben wurden. Der Staat ist der Meinung, dass das Geld zurückbezahlt werden soll«, erklärte Smolij. Die Privatbank wurde wegen Zahlungsunfähigkeit komplett verstaatlicht. Rund sechs Milliarden Euro hat Kiew insgesamt in die strukturell wichtige Privatbank investiert.
Als Wolodymyr Selenskyj im April zum ukrainischen Präsidenten gewählt wurde, galt Kolomojskyj als der starke Mann hinter dem neuen Staatschef. Mittlerweile wird die Position von Kolomojskyj jedoch anders eingeschätzt. Zwar kontrolliert der 56-Jährige mehrere Abgeordnete der Regierungspartei »Diener des Volkes«, doch sein Einfluss auf Selenskyj ist wohl nicht entscheidend. Vielmehr konkurriert er mit anderen mächtigen Interessengruppen.
Zuletzt sorgte ein Interview Kolomojskyjs in der »New York Times« für Aufsehen, in dem er für eine Abkehr der Ukraine vom Westen und eine intensivere Zusammenarbeit mit Russland warb. Außerdem sprach sich der Oligarch wiederholt für das baldige Ende der Zusammenarbeit mit dem IWF aus - und regte an, die Regierung solle die Zahlungsunfähigkeit erklären. Dies wäre der richtige Weg für die Ukraine. Der IWF wiederum verknüpft weitere Hilfskredite an die Ukraine mit der Forderung, dass Kolomojskyj künftig keine Anteile an der Privatbank erhält. Der Oligarch seinerseits will weniger die Privatbank zurück, als über zwei Milliarden US-Dollar Entschädigung, die er seit Jahren fordert.
Dass die Proteste vor den Einrichtungen der Nationalbank sowie vor Filialen der Privatbank in mehreren ukrainischen Städten eine Verbindung zu Kolomojskyj aufweisen, lassen die Teilnehmer vermuten, die offenbar mehrheitlich in Betrieben des Oligarchen beschäftigt sind. Einen konkreten Anlass für die Proteste gibt es auch: Am 10. Januar beginnt vor dem Obersten Gerichtshof in London der Prozess gegen Kolomojskyj und seinen Partner Henndij Boholjubow. Der ukrainische Staat verlangt von beiden nach der Insolvenz der Privatbank rund drei Milliarden US-Dollar Entschädigungszahlungen. Im Zuge der Untersuchungen wurden unter anderem Kolomojskyjs weltweite Vermögenswerte vorläufig beschlagnahmt. Deshalb darf der Oligarch nur noch 20 000 Pfund pro Woche ausgeben.
In London sieht es also für Kolomojskyj vorerst nicht gut aus. Und auch in der Ukraine, wo er noch vor einiger Zeit mehrere Prozesse in Sachen Privatbank gewonnen hat, scheint der Staat eine einheitliche Position gegen den Oligarchen zu zeigen. Das Finanzministerium übergab zuletzt sogar die Hoheit über die Privatbank an die Regierung, um diese vor der theoretischen Rückgabe an Kolomojskyj zu schützen, sollte dieser im Rechtsstreit gegen das Finanzministerium gewinnen. Auch der Generalstaatsanwalt Ruslan Rjaboschapka, den Kolomojskyj gerne öffentlich angreift, bezeichnete das vor der Verstaatlichung der Privatbank abgehobene Geld als »Prioritätsfall« für die ukrainische Justiz.
Ein Wechsel an der Spitze der Nationalbank und der Privatbank wäre für Kolomojskyj der nötige Ausweg, um aus dieser schwierigen Lage herauszukommen. Daher sind öffentliche Angriffe jeglicher Art weniger überraschend. Und sie werden wohl im kommenden Jahr zunehmen, wenn die Zusammensetzung des Vorstandes der Nationalbank planmäßig wieder diskutiert wird.
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