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Ich enthülle mein Netzwerk
Adrian Schulz über Enthüllungen
Mal wieder gar nichts passt zurzeit zusammen: Das Social-Media-Team der Deutschen Bahn enthüllt die falsche Wahrheit über eine 16-Jährige. Rolf Zuckowski enthüllt, dass er in Wahrheit gar nicht backen kann. Die »Taz« enthüllt, dass sie den Brexit (und Boris Johnson gleich mit) im Prinzip total super findet. Die »FAS« enthüllt, dass ostdeutsche Männer rechtsextrem wählen, weil Frauen von dort wegziehen (und nicht etwa umgekehrt, dass Frauen keinen Bock mehr auf die Immer-schon-Rechtsextremen hätten).
Die »NZZ« enthüllt, dass in Roger Köppels neoliberal-erzextremer Zeitschrift »Weltwoche« zugleich der chinesische Botschafter eine Kolumne führt und seltsam viele Anzeigen chinesischer Firmen erscheinen. Und an meinem Gaumen enthüllen sich die Fleischfäden und hängen blutig nach Eisen schmeckend ins Maul hinein, trotzdem lebe ich noch.
Man stelle sich besonders die vorletzte Unpassendheit einmal auf die brandheiße Klimakrise gewendet vor: also dass auf jeder dritten und fünften Seite der »Welt« bildbearbeitete Hochglanzfahrräder um Reichsbürgergeld werben würden. Wie viele Extremorechte würden bei Twitter auf drei losschäumen und ihre Unterhosen zum Beweis der Gendergagarisierung in die Luft halten? Andersherum ist es ja der große Traum, ich glaube, jeder/jedes Kolumnistin/Kolumnisten, dass die eigenen Texte Günstlingstum und Anzeigenschätze in Hunderttausenderhöhe heben.
Ich kann da nur von mir sprechen: Ich persönlich bin zuversichtlich, mit meinem Hintergrundnetzwerk aus hart arbeitenden Handwerker*innen, dreiviertelgescheiten Bahnhofsnotar*innen, neurotischen Satiriker*innen, falschen Großmüttern und dem obligatorischen Baumarktschaffner nahezu jedem/jeder Auftraggeber*in wohldurchdachte Finanzierungsmodelle nach Bedarf auf den Leib zu schneidern, solange ich mich dabei klug und wichtig fühlen kann.
Anzubieten habe ich, kurz gesagt, eine Art digitalisierte und schizophrenisierte Hannover-Connection, nachdem es die echte ja nun schwer vermutlich nicht mehr gibt. Oder weiß darüber jemand mehr? Dann möge er*sie sich unbedingt ermutigt fühlen, meinem Netzwerk beizutreten. Ich bewundere Kenntnis. Und wer kann, Hosen runter, das schon guten Gewissens von sich behaupten? Nachdem das geklärt ist, können wir uns alle gemeinsam auf Weihnachten freuen, ja, uns vor lauter Besinnlichkeit glatt ein paar Runen und schwarze Sonnen auf die Haut stechen lassen und geschlossen in die größte deutsche Partei eintreten, um uns anschließend unserer Jugend zu schämen. Oder mit den netten Verwandten über die Kesselschlacht von Minsk diskutieren, damit wir uns mal wieder besser zuhören.
Denn dann passt ja auch alles wieder zusammen, und das hat es eigentlich schon von Anfang an, ich habe Sie nur ein bisschen an der Nase herumgeführt; an welcher genau, das weiß ich jetzt auch nicht.
Einzig die flotten Dartpfeile der Weltmeisterschaft versprechen dieser Tage ein wenig Auflockerung in Kolumnenland, wenn nicht gar, die ganze verkrustete Schicht Alltagssahne gewaltsam durchzustechen. Allein, ins Auge treffen sie dann doch nie.
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