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DJV: Verlage haben für Schutz von Journalisten zu sorgen
Richard Gutjahr wirft BR vor, ihn im Kampf gegen rechte Hasskampagnen alleingelassen zu haben
Berlin. Angesichts von Drohungen gegen freie Journalisten hat der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) betont, dass Medien als deren Auftraggeber für Schutz sorgen müssten. »Wenn Freie bedroht oder beleidigt werden, stehen Sender und Verlage in der Pflicht, ihnen juristische Unterstützung zu leisten«, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Donnerstag in Berlin.
Hintergrund sind Drohungen gegen den freien Journalisten Danny Hollek im Zusammenhang mit der »Umweltsau«-Satire des WDR und Vorwürfe des freien Journalisten Richard Gutjahr, der Bayerische Rundfunk habe ihn im Kampf gegen rechte Hasskampagnen alleingelassen.
Gutjahr hatte am Dienstag in seinem Blog geschrieben, er beende seine Zusammenarbeit mit dem BR. Er war als »fester freier« Reporter für den BR tätig. Nun erhob er schwere Vorwürfe vor allem gegen Intendant Ulrich Wilhelm. Er sei wegen seiner Berichterstattung Morddrohungen, Verleumdungen und einem »Dauerbeschuss« durch »Verschwörungstheoretiker, Neonazis, Reichsbürger« ausgesetzt gewesen, schrieb Gutjahr. Anstatt zu helfen, habe Wilhelm »weggeschaut«.
Gutjahr betont daher im Vorwort zu seinem offenen Brief: »Wenn wir nicht endlich lernen, eine gemeinsame Stimme in Bezug auf Hass und Hetze gegen Journalisten und Politiker zu finden und weiterhin versuchen, eigene Versäumnisse unter den Teppich zu kehren, dürfen wir uns nicht wundern, dass unsere Gegner uns immer zwei Schritte voraus sind. Das ist kein Spiel mehr. Womit wir es hier zu tun haben ist todernst.«
Er war bereits 2016 in den Fokus von Verschwörungstheoretikern geraten, nachdem er sowohl von dem islamistischen Terroranschlag in Nizza am 14. Juli 2016 als auch von dem Attentat am Münchner Olympia-Einkaufszentrum acht Tage später aus nächster Nähe berichtet hatte. Der Journalist und seine Familie werden seitdem massiv bedroht. Auf einer Veranstaltung der re:publica 2018 zeichnet er die Drohungen nach.
Der BR wies die Vorwürfe zurück. Die Geschäftsleitung und der Vorsitzende des Rundfunkrats des Senders hätten sich »mehrfach und intensiv mit allen Facetten des Falls beschäftigt«, erklärte der BR am Mittwoch in München. Gutjahr habe eine finanzielle Unterstützung für Prozesskosten erhalten. Der Hass, der dem Journalisten seit drei Jahren im Netz entgegenschlage, sei »beschämend«, die Drohungen seien »erschütternd«.
Gutjahr sei außerdem seit März 2019 nicht mehr für den BR tätig gewesen, betonte der Sender. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Aufhebungsvertrag in gegenseitigem Einvernehmen geschlossen worden, nachdem der Journalist eine Weiterbeschäftigung in einem »auf seinen Themenbereich zugeschnittenen Bereich« nicht habe annehmen wollen.
DJV-Chef Überall kritisierte die Reaktion des BR als »reflexhaft und völlig unangemessen«. Das Thema gehöre vielmehr auf die Agenda der Rundfunkräte aller öffentlich-rechtlichen Anstalten. Auch Dennis Horn, Digitalexperte der ARD, kritisiert die Stellungnahme. Auch er ist der Ansicht, dass man ernsthafte Probleme bekomme, wenn die »Entscheider des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schleunigst die Dynamiken im digitalen Raum und die Wucht des digitalen Wandels verstehen«.
Beim WDR sieht sich vor allem der freie Journalist Danny Hollek wegen eines Tweets zum »Umweltsau«-Song Beleidigungen und Morddrohungen ausgesetzt. Darüber hinaus war Chorleiter Zeljo Davutovic von Anfeindungen betroffen.
Die satirische Umdichtung des Kinderlieds »Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad«, die WDR2 am Freitag bei Facebook veröffentlicht hatte, hatte am Wochenende zu öffentlichen Auseinandersetzungen geführt. In dem Lied sang ein Kinderchor über eine fiktive Oma, die unter anderem mit dem SUV zum Arzt fährt, Kreuzfahrten macht und sich täglich billiges Discounterfleisch brät.
Das Video hatte der Sender am Samstag wieder gelöscht. Intendant Tom Buhrow entschuldigte sich in einer Sondersendung bei WDR2 »ohne Wenn und Aber« und sagte, die Veröffentlichung sei ein Fehler gewesen. Der DJV und das Deutsche Kinderhilfswerk tadelten am Montag aber nicht das von einem Kinderchor gesungene Lied über eine fiktive Oma, sondern den Umgang des Senders mit der Kontroverse. Der Pressesprecher des Kinderhilfswerks, Uwe Kamp, warf dem WDR ebenfalls eine überzogene Reaktion auf die Kritik vor. »Ich hätte mir vom WDR da mehr Rückgrat gewünscht«, sagte er dem Internetportal »watson.de«: »Das war ein satirischer Text, und Satire darf vieles. Der Text war nicht so unter der Gürtellinie, dass man das Video hätte vom Netz nehmen müssen.« mit Agenturen/nd
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