Strahlender Sieger
Dawid Kubackis Weg aufs Siegerpodium der Tournee war lang und beschwerlich. Der Pole ist ein Spätstarter
Spätstarter Dawid Kubacki wirkte nach seinem überraschenden Triumph bei der 68. Vierschanzentournee sehr gefasst. Natürlich ritt er auf den Schultern seiner polnischen Teamkollegen die obligatorische Runde durch den Schanzenauslauf. Bejubelt von den vielen Fans aus der skisprungverrückten Heimat, die nach Bischofshofen gekommen waren. Ansonsten aber freute sich dieser 29-jährige Mann eher nach innen. Weil er es all jenen Kritikern gezeigt hatte, die ihm einen ganz großen Einzeltriumph nicht zugetraut hatten.
Zwar war er 2019 in Seefeld Weltmeister von der Normalschanze geworden. Aber das war ein skandalöser Wettkampf gewesen, bei dem ihn die unfairen Witterungsbedingungen im Schneematsch von Platz 27 nach dem ersten Durchgang noch zur Goldmedaille gespült hatten.
Bei dieser Vierschanzentournee jedoch war Kubacki auf den vier Schanzen insgesamt der beste Flieger der Welt. Das zeigte der Mann aus Nowy Targ nach dritten Plätzen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen und Rang zwei in Innsbruck spätestens mit seinem überlegenen Triumph beim Finale in Bischofshofen. Es war erst der zweite Weltcupsieg seiner Karriere.
»Ich bin sehr stolz, dass ich als dritter Pole nach Adam Malysz und Kamil Stoch die Tournee gewonnen habe. Vor allem aber bin froh, dass ich ruhig geblieben bin und meinen Job gemacht habe. Ich war schon sehr nervös«, meinte Kubacki. Nervenstärke und Abgezocktheit sind ihm nicht angeboren, er hat über die Jahre mit Hilfe eines Psychologen hart daran gearbeitet. Im Sommer gehörte er als zweimaliger Gesamtsieger des Grand Prix der besten Flieger schon immer zur Weltspitze. Wenn es dann im Winter aber wirklich darauf ankam, fehlte ihm oft die letzte Coolness. Kubacki machte dennoch einfach weiter. Zwei Monate vor seinem 30. Geburtstag ist er nun endlich ganz oben angekommen.
»Dawid ist vom Typ her ein ähnlicher Springer wie ich. Er musste sich über die Jahre auch alles hart erarbeiten«, sagte der Tourneedritte Karl Geiger über Kubacki. Einen wesentlichen Anteil an seiner Entwicklung hatte in den vergangenen drei Wintern Stefan Horngacher als polnischer Chefcoach. Der heutige Bundestrainer meinte dann auch scherzhaft: »Vielleicht haben wir Dawid in den letzten Jahren zu gut trainiert.« Tatsächlich galt der schlaksige 1,80-Meter-Mann mit den langen Beinen schon immer als einer der besten Abspringer des gesamten Feldes. Bei dieser Tournee hat er aber erstmals die perfekte Kombination aus seiner großen Höhe nach dem Schanzentisch und einer möglichst hohen Fluggeschwindigkeit hinbekommen. Das ist ein Verdienst des Tschechen Michal Doležal, der die Nachfolge von Horngacher als polnischer Cheftrainer angetreten hat.
Die polnische Skisprung-Legende Kamil Stoch, Tourneesieger von 2017 und 2018, Olympiasieger, Weltmeister und Gesamtweltcupsieger, stand diesmal im Schatten seines Teamkollegen Kubacki, weil dieser nach einem 47. Platz bei der Tournee-Generalprobe von Engelberg völlig überraschend zum mit 20 000 Schweizer Franken und einem Goldenen Adler belohnten größten Sieg seiner Karriere katapultierte. Kubackis neues Selbstbewusstsein hat auch mit seinem geordneten privaten Umfeld zu tun: Seit einem gutem halben Jahr ist er mit seiner Marta verheiratet. Und frönt auch in seiner Freizeit seiner größten Leidenschaft: dem Fliegen. »Seit ich Kind bin, sind ferngesteuerte Helikopter mein großes Hobby. Außerdem habe ich eine Segelfliegerlizenz.«
Seine Geschichte ist ein Lehrbeispiel dafür, dass im Skispringen nicht nur Ausnahmetalente wie der entthronte Titelverteidiger Ryoyu Kobayashi aus Japan oder Deutschlands derzeit verletzter Olympiasieger Andreas Wellinger Erfolg haben können. »Die Entwicklung eines solchen Springers kann auch mal ein paar Jahre dauern«, sagte Horngacher in Bischofshofen. Somit ist diese Erfolgsgeschichte von Dawid Kubacki auch eine Vorlage für Karl Geiger, der dieses Mal noch den ersten deutschen Tournee-Gesamtsieg seit 18 Jahren verpasste.
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