Die wahre Größe des SUV

Dass Parkplätze in Deutschlands Großstädten rar sind, hat auch mit dem großen Ego deutscher Autofahrer zu tun, findet Roberto De Lapuente

  • Roberto De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

Während Sie diesen Text lesen, suchen da draußen arme Kreaturen nach einem Abstellplatz für ihren fahrbaren Untersatz. Zehn Minuten dauert so eine Parkplatzsuche in deutschen Städten durchschnittlich. Das addiert sich schnell mal zu mehreren Stunden im Monat. Dass das lästig ist, kann man sich denken. Auch als Bahnfahrer oder Fußgänger. Oder eben als Verbandsfunktionär der Automobilindustrie. Deshalb hat sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) dazu geäußert und – zugegeben nicht nur ganz doofe – Vorschläge feilgeboten.

Parken muss was kosten, findet der VDA - und zwar für Besserverdiener mehr als für abhängig Beschäftigte mit kleinem Einkommen. Eine Städte-Maut sollte wenigstens als Möglichkeit angedacht werden. Auch das Anwohnerparken dürfte laut VDA keine kostengünstige Selbstverständlichkeit sein, sondern müsse teurer werden. Und natürlich soll es – wie immer, wenn man dieser Tage »modern« werden will – mal wieder irgendwie die Digitalisierung richten.

Nur ein Umstand wird so gar nicht angerissen: Dass die Autos immer größer, immer platzfüllender werden. Wir reden hier schließlich von einem Platzproblem, man sucht als Autofahrer ja schließlich einen Parkplatz. Das setzt eigentlich voraus, dass man auch von den Größen sprechen muss, die auf engsten Platz unterzubringen sind. Aber was das betrifft: nur Schweigen.

Wenn man in seinem Wohnzimmer keinen Platz für die IKEA-Bücherwand Lillehammer hat, besorgt man sich eben ein Billy-Regal. Gibt es in der Küche keinen Raum für eine ausladende Festtafel, muss es halt ein Klapptisch richten. Und passt der eigene Arsch nicht mehr in die Jeans, versucht man eben, dieses Platzproblem unter der Gürtellinie durch eine Diät zu beheben. Es geht bei fehlendem Platz also immer um das, was man abstellen, reinpacken, unterbringen oder hineinstopfen will. Nur bei den Funktionären der Automobilbranche nicht.

Klar, der SUV wird seit langem kritisiert. In erster Linie wegen seiner Feinstaubwerte und seiner Klimaunverträglichkeit. Auch wenn da was dran ist, sehen Experten in der Forderung eines SUV-Verbots bestenfalls einen Tropfen auf dem heißen Gebirgsmassiv. Trotzdem müssen solche Geländewagen in der zivilisierten Welt nicht sein. Wenn man als Jäger in den Wald fährt: Dann bitte gerne. Aber doch nicht auf normalen Straßen – und schon gar nicht in Ortschaften oder Großstädten. Da ist überhaupt kein Platz mehr, um diese Art von Größenwahn zu dulden.

Die Überdimensionierung stellt gewissermaßen das unmittelbare Problem des SUV dar. In Städten ist es eng, sie sind überlaufen und die Straßen zuweilen sehr schmal. Was die Massengesellschaft daher braucht, das wären – mal abgesehen von klimaverträglichen – platzsparende und dennoch halbwegs bequeme und sichere Automobile. Als der Smart kam, dachten viele, dies sei der Trend. Aber plötzlich stülpte die Werbung den Kunden eine neue Denkweise über. Sie erzählte von der angeblich erhöhten Sicherheit – meinte damit aber Platzhirschdominanz, Sprich: banale Überlegenheit durch Größe.

Doch wenn alle im Panzer sitzen, dann hat da keiner mehr Vorteile. Das läuft so wie im Mittelalter, als die Schwerter immer schwerer und immer länger wurden, weil die Rüstungen der Rittersleute immer mehr aushielten. Man rüstete sich so sehr auf, dass am Ende kaum noch jemand ein Schwert mit einer Hand festhalten konnte. Ritterkämpfe waren daher in der Hochphase der Aufrüstung pomadig und schwerfällig. Die SUV-Aufrüstung läuft nach demselben Muster. Sie stellt gewissermaßen nicht Mobilität dar, sondern eine schwerfällige Immobilität auf vier Rädern. Alles dem Popanz übergroßer Egos geschuldet.

Sagen wir es doch, wie es ist: Natürlich zielt der SUV-Wahn auf das Ego des Halters ab. Man stellt für ihn in Aussicht, dass er die Straße dominieren kann, wenn er sich nur für wahre Größe entscheidet. Der Trend der Automobilbranche, immer mehr SUV zu produzieren und abzusetzen: Das ist einem psychologischen Kniff zu verdanken, der mit narzisstischen Motiven spielt. Diese Ego-Tour wäre einen Punkt in der Auflistung der VDA wert gewesen. Denn ohne die Abrüstung fahrbarer Trutzburgen wird das Platzproblem nie behoben werden.

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