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Neues Personal, alte Streitfragen
Die Linksfraktion diskutiert bei Klausur über Klima und Außenpolitik
Die Linksfraktion will sich bei ihrer am Donnerstag beginnenden zweitägigen Klausur im brandenburgischen Rheinsberg auf Inhalte konzentrieren. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit, ist es aber nicht. Denn in der Vergangenheit wurden manche Treffen von Auseinandersetzungen zwischen Partei- und Fraktionsführung überschattet. Inzwischen hat es zumindest beim Personal Veränderungen gegeben. Sahra Wagenknecht hat sich vom Amt der Fraktionschefin zurückgezogen. Ihre Nachfolgerin ist die niedersächsische Abgeordnete Amira Mohamed Ali. Sie hatte sich in einer internen Wahl gegen die Wohnungspolitikerin Caren Lay durchgesetzt, die eine enge Vertraute der Parteivorsitzenden Katja Kipping ist.
Seitdem hat sich Mohamed Ali versöhnlich geäußert. Die sehr alten Konflikte müssten überwunden werden, sagte sie kurz nach ihrer Wahl im November der »Rheinischen Post«. Ihr Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch sieht die Bundestagsfraktion diesbezüglich sogar auf einem guten Weg. »Jetzt, wo wir die Auseinandersetzungen der Vergangenheit beendet haben, können wir kämpferisch in das neue Jahrzehnt starten. Geeint und schlagkräftig«, teilte Bartsch dem »nd« mit. Die Klausur sieht er als »einen Schritt für neue gemeinsame Wege«.
Die Liste der Themen, die auf der Tagung in dem Seehotel bearbeitet werden sollen, ist lang. Die Abgeordneten wollen etwa über den Sozialstaat und Bildungsgerechtigkeit diskutieren. Auch der Aktionsplan Klimagerechtigkeit steht auf der Tagesordnung. Fraglich ist, ob noch Veränderungen an diesem Plan vorgenommen werden und ob er lediglich als Diskussionspapier verbucht wird, anstatt die Meinung der Fraktion widerzuspiegeln. In ihrem Programm für die Bundestagswahl war die LINKE beim Thema Klimaschutz teilweise vage geblieben. Nun heißt es in dem Entwurf des Papiers unter anderem, dass ein Verbot der Neuzulassung von Verbrennungsmotoren spätestens ab 2030 erfolgen solle.
Als Gäste erwartet die Fraktion den Sozialwissenschaftler Oliver Nachtwey, den Publizisten Michael Lüders und den Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes. Die beiden Letztgenannten stehen am Freitag als Gesprächspartner für Debatten über die derzeitige Eskalation im Nahen und Mittleren Osten nach der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani zur Verfügung. Politiker der Linksfraktion hatten die Tötung einhellig als völkerrechtswidrigen Akt der USA verurteilt.
Allerdings gibt es in der Fraktion weiterhin auch unterschiedliche Haltungen in der Außenpolitik. Als der Bundestag im Dezember über ein von Union, SPD und FDP gefordertes Verbot der mit Iran verbündeten Hisbollah in Deutschland abgestimmt hatte, enthielten sich fast alle Abgeordneten der Linksfraktion. Nur die Berliner Parlamentarierin Evrim Sommer votierte in den Reihen der LINKEN für den Antrag. Sie warf der in Libanon gegründeten schiitischen Organisation vor, einen islamistischen Gottesstaat anzustreben sowie antisemitisch und antidemokratisch zu sein. Andere Abgeordnete der LINKEN wiesen hingegen darauf hin, dass die Hisbollah im libanesischen Parlament vertreten und aktuell Teil der Regierung in Libanon ist.
Einige LINKE-Abgeordnete stimmten zudem nach der Debatte für einen Antrag der Grünen. Dieser hatte den Titel: »Betätigungsverbot gegen Hisbollah entschlossen durchsetzen und ihre Netzwerke in Deutschland zerschlagen, Israel beistehen, Zivilgesellschaft in Libanon unterstützen.« Die überwiegende Mehrheit der LINKEN enthielt sich, bei einigen stieß der Antrag auf Ablehnung.
Acht Abgeordnete - darunter Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke, Heike Hänsel, Diether Dehm und Alexander Neu - haben kürzlich schriftlich erklärt, warum sie den Antrag der Grünen für falsch halten. Im Feststellungsteil befinde sich ein Positivbezug auf einen Auslandseinsatz der Bundeswehr und die »Beteiligung Deutschlands an der UNIFIL-Mission«. »Wir haben die Beteiligung der Bundeswehr an UNIFIL bisher stets abgelehnt und treten für die Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr ein«, schreiben die Abgeordneten. Diese Einsätze seien friedenspolitisch verheerend.
UNIFIL ist eine Beobachtermission der Vereinten Nationen in Libanon. In diesem Rahmen unterstützt die Bundeswehr libanesische Streitkräfte beim Küstenschutz. Nach offiziellen Angaben soll der Einsatz vor der Küste Libanons dazu dienen, »den Waffenschmuggel zu unterbinden und die Seewege zu kontrollieren«. Es solle verhindert werden, dass Rüstungsgüter ohne Zustimmung der libanesischen Regierung nach Libanon gebracht werden.
Die Zustimmung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr könnte auch ein Knackpunkt bei möglichen Gesprächen von Grünen, Linkspartei und SPD im Bund sein. Allerdings sind die drei Parteien des Mitte-links-Spektrums in Umfragen weit von einer gemeinsamen Mehrheit entfernt. Wenn sich das ändern sollte, können sich die Führungspolitiker der LINKEN unter bestimmten Bedingungen Grün-Rot-Rot vorstellen. Die derzeitige Bundesregierung wird als Auslaufmodell gesehen. Dietmar Bartsch nannte sie gegenüber »nd« eine »katastrophale ehemals Große Koalition«.
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Die offenen Personalfragen werden auf der Klausur nach der derzeitigen Planung nicht geklärt. Weil die Kandidaten in internen Wahlgängen keine Mehrheit erhalten hatten, sind die Fraktionsvorstandsposten für den Beauftragten für die sozialen Bewegungen und für einen stellvertretenden Vorsitzenden ohne Geschäftsbereich vakant. Für den erstgenannten Job hatte sich Lorenz Gösta Beutin beworben, für letzteren Nicole Gohlke und Sören Pellmann. Auf Nachfrage des »nd« hieß es in der Fraktionspressestelle, dass die Posten noch besetzt werden sollen. Wann ein erneuter Wahlgang stattfinden wird, sei aber noch nicht entschieden.
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