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Ein Orden wider Sinn und Verstand
Dresdner »Semperopernball e.V.« sorgt mit Ehrung von ägyptischem Präsidenten für Eklat
An Superlativen mangelt es nicht, wenn vom Semperopernball die Rede ist: Von der »schönsten Nacht des Jahres in Dresden« und dem »größten Klassik-Entertainment-Event im deutschsprachigen Raum« schwärmt der Verein, der das Spektakel seit 2006 jährlich ausrichtet. Dieser Tage böte sich ein neuer Superlativ an: dümmste Ehrung des Jahres. Diesen Tenor haben Reaktionen aus Politik und Kulturszene, seit bekannt wurde, dass der Verein einen Phantasieorden an Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi verlieh.
Der aus Gold und Brillanten gefertigte und einem Schmuckstück aus dem Grünen Gewölbe nachempfundene St.-Georgs-Orden war am Sonntag, knapp zwei Wochen vor dem am 7. Februar stattfindenden Ball, von dessen künstlerischem Leiter Hans-Joachim Frey in Kairo an al-Sisi übergeben worden. Der Kulturmanager, der unter anderem als Operndirektor der Semperoper und als Intendant in Bremen tätig war, würdigte al-Sisi als »Friedensstifter« und »Mutmacher« und lobte dessen Einsatz für Kultur, etwa durch den Bau eines Opernhauses. Vor Journalisten gestand er später immerhin auch, die Ehrung sei »vielleicht etwas ungewöhnlich«.
Die Kritik fällt weniger dezent aus. Von einem »Orden wider Sinn und Verstand« sprach der sächsische DGB-Chef Markus Schlimbach. SPD-Landeschef Martin Dulig, der auch zweiter Stellvertreter des sächsischen Regierungschefs ist, erklärte, der Semperopernball »nimmt sich seine Würde«. Rico Gebhardt, Chef der Linksfraktion im Landtag, fragte sarkastisch, wer den Orden als nächstes erhalte: »etwa Kim Jong-Un, mit der Begründung, dass er in Nordkorea für stabile Verhältnisse sorgt?«
Al-Sisi war im Jahr 2013 durch einen Militärputsch an die Macht gekommen und führt seither ein autoritäres Regime, das politische Gegner und kritische Journalisten systematisch verfolgt. Al-Sisi, sagt Mohammad Okasha vom Vorstand des Sächsischen Flüchtlingsrates, sei »kein Hoffnungträger für Ägypten«. Die Opposition sitze im Gefängnis, es werde gefoltert: »Dem Land geht es schlecht.« Dulig nannte al-Sisi einen »Autokraten und Unterdrücker«. Wer einen solchen »aus PR-Gründen« ehre, handle unverantwortlich.
Dresdner Semperopern e.V. entschuldigt sich für Ehrung al-Sisis
Die umstrittene Verleihung des St.-Georgs-Ordens des Dresdner Semperopernballs an Ägyptens Präsidenten hat für Proteste auf breiter Front gesorgt
Mit fragwürdigen Ehrungen sorgt der Opernball nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen. 2009 wurde Russlands Präsident Wladimir Putin ausgezeichnet; er bekam den Orden vom damaligen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich überreicht. Später wurde ein saudi-arabischer Kronprinz bedacht. Die Ehrung al-Sisis sorgt nun erneut für Kontroversen - und wurde in Sachsen zu einer Art Staatsaffäre. Ein Grund: Der vom MDR live übertragene Ball gilt nicht nur als Aushängeschild für die Landeshauptstadt, sondern auch als Bühne für Politiker aus Stadt und Land.
Erste Amtsträger drohen mit Konsequenzen. Dirk Hilbert, FDP-Oberbürgermeister in Dresden, sieht »Klärungsbedarf« und erklärte, er behalte sich vor, ob er »wie bisher offiziell im Programm auftreten« werde. Die LINKE im Stadtrat verlangt derweil, kein Steuergeld mehr für den Ball aufzuwenden. Laut Fraktionschef André Schollbach wurden 2019 zwölf VIP-Karten für 6426 Euro erworben - für den OB, dessen Frau und weitere Gäste. Keinen Grund für Konsequenzen sieht bis jetzt CDU-Regierungschef Michael Kretschmer, der den Ball traditionell mit seiner Frau eröffnet. Er nehme »selbstverständlich« teil, sagte er der »Bild«-Zeitung und fügte hinzu: »Das ist eine wunderbare Veranstaltung«.
Davon sind indes auch zwei Medienpartner und der Gastgeber nicht mehr überzeugt. Der MDR distanzierte sich, ebenso die »Sächsische Zeitung«, die nachts eine eigene Ballausgabe druckt. Die Missachtung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in Ägypten sei unvereinbar mit der eigenen Haltung, hieß es. Der Intendant der Semperoper, Peter Theiler, sagte, man missbillige die Ehrung ausdrücklich. Nach dem Ball werde es unter Einbeziehung der Politik Gespräche mit dem Ballverein geben.
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