»Dresden nazifrei« lädt Helfer ein

Breites Bündnis gegen Rechts zum 75. Jahrestag der Zerstörung der Stadt

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie waren wieder da: Als im vergangenen Jahr der Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 gedacht wurde, liefen Nazis erstmals seit Jahren wieder durch die Innenstadt. Einst war das ein alljährliches trauriges Ritual; der Dresdner Aufzug galt als größter Naziaufmarsch in Europa. Massive Gegenproteste und Blockaden hatten die Szene dann vertrieben. 2019 aber war sie zurück: mit einer Demonstration mit knapp 1000 Teilnehmern. »Und das war nur der Probelauf für 2020«, sagt Annalena Schmidt, Sprecherin von »Dresden nazifrei«. Sie erwartet, dass zum diesjährigen 75. Jahrestag eine noch größere Anzahl Nazis erneut durch das Zentrum der sächsischen Stadt ziehen will - und kündigt Widerstand an: »Wir wollen das verhindern.«

Zu diesem Zweck hat sich in Dresden ein »Aktionsbündnis 13. Februar« gegründet, dem zahlreiche antifaschistische, feministische und linke Gruppen angehören. Das Spektrum reicht von Initiativen wie »Hope - fight racism«, die beharrlich Protest gegen die Aufmärsche von Pegida artikuliert, über die »Undogmatische Radikale Antifa Dresden« und feministische Gruppen wie »e*vibes« und »femBlock/furia« bis zur Linksjugend, den Jusos und der Grünen Jugend. Unterstützung kommt aus Chemnitz und Leipzig. Das dortige Bündnis »Leipzig nimmt Platz« ruft laut seiner Sprecherin Irena Rudolph-Kokott zur Teilnahme auf, weil man es für »schier unerträglich« halte, dass »75 Jahre nach der Befreiung« noch immer rechte Gesinnung »auf die Straßen des Täterlandes getragen« werde.

So vielfältig wie das Spektrum der Beteiligten ist auch das Programm einer Aktionswoche rund um den Dresdner Jahrestag. Geplant sind Vorträge, Workshops und Rundgänge, deren prominentester der »Mahngang Täterspuren« an diesem Sonntag ist. Der seit zehn Jahren durchgeführte Rundgang will laut Mitorganisatorin Rita Kunert einen »Kontrapunkt« zu dem in Dresden über Jahre hinweg gepflegten »Opfermythos« setzen. Dieser behauptet, dass die alliierten Luftangriffe vom 13. und 14. Februar 1945 mit ihren rund 25 000 Opfern einer »unschuldigen Kulturstadt« galten. Der Mahngang führt dagegen zu konkreten Plätzen in der Stadt, die diese als Zentrum der Rüstungsindustrie und eine frühe Hochburg der NS-Diktatur ausweisen. »Hier«, sagt Kunert, »saß die Macht.«

Diese Zusammenhänge wurden in Dresden lange Zeit freilich nicht thematisiert; statt dessen pflegte die Stadtgesellschaft ein »stilles Gedenken« an zivile Opfer der Angriffe. Dieses sei »anschlussfähig für rechten Geschichtsrevisionismus« gewesen, sagt ein Sprecher von »e*vibes«, der sich »Artemis« nennt. Die extreme Rechte nutzt, teils unter Verwendung stark überhöhter Opferzahlen, die Angriffe auf Dresden zur Relativierung deutscher Kriegsverbrechen und -schuld; von »Bombenholocaust« war die Rede. Wurden solche Positionen einst von der NPD-nahen »Jungen Landsmannschaft Ostpreußen« und einem so genannten »Aktionsbündnis gegen das Vergessen« vertreten, die zu den Naziaufzügen mobilisierten, so knüpft heute die AfD daran an. Diese sei »der neue Fackelträger des Geschichtsrevisionismus«, sagt Artemis und verweist auf Äußerungen des sächsischen AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier zu einem angeblichen »deutschen Schuldkult«. Deshalb richten sich Aktionen des Bündnisses auch gegen eine Kranzniederlegung der AfD auf dem Dresdner Altmarkt am 13. Februar. Dort werde »nur der deutschen Opfer gedacht«, kritisiert Johannes Schumann von der Initiative »Hope«.

Weil das sächsische Versammlungsgesetz die Dresdner Innenstadt am 13. und 14. Februar unter besonderen Schutz stellt, wird der eigentliche Naziaufmarsch für den 15. Februar erwartet. Dafür werde seit Anfang dieser Woche mobilisiert, sagt Annalena Schmidt von »Dresden nazifrei«. Die genaue Marschroute und die Anfangszeit seien bisher nicht bekannt, ergänzt Rita Kunert: »Es ist das übliche Katz-und-Maus-Spiel.« Das Aktionsbündnis ruft dennoch zu Gegenaktionen auf, die laut dem Aktionskonsens explizit auch zivilen Ungehorsam und Blockaden umfassen. Man hoffe auf 1700 Teilnehmer, heißt es bei »Dresden nazifrei«. Zudem sei man für den Fall gewappnet, dass die Rechtsextremen ihren Aufmarsch verschieben: »Dann dauert unsere Aktionswoche eben länger.«

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