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Volle Fahrt für Autos ohne Städte
Gerd Rosenkranz ist überzeugt: Die autofreie Bewegung ist unaufhaltsam
Stellen Sie sich ein großes historisches Quiz vor. Gesucht wird der schlimmste Irrweg der Hochmoderne des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Klar, die Atomenergie hätte eine gute Chance. Mit Sicherheit gehörte aber auch die »autogerechte Stadt« zum engen Favoritenkreis. Es ist schwer vorstellbar, aber dieser Begriff war positiv besetzt, als er in den 1950er Jahren Karriere machte. Die hohlen Ruinen der Nachkriegszeit wurden als stadtplanerische Chance begriffen, seit Jahrhunderten gewachsene Innenstädte mussten auf die Bedürfnisse einer automobilen Gesellschaft ausgerichtet werden.
Der Abbau der gigantischen Infrastruktur aus Transversalen, Tangenten, Hochstraßen und Parkhäusern, die auf Geheiß der dominierenden Branche des 20. Jahrhunderts entstanden, wird vermutlich genauso lange andauern, wie ihr Aufbau und ihre Hochphase zusammen anhielten.
Doch es gibt in einer enger werdenden Welt - und wo ist die unmittelbarer spürbar als in den Metropolen - längst eine Gegenbewegung. Sie ist überall. Die meisten Teilnehmer*innen an den sommerlichen Fahrradsternfahrten sind auch Autofahrer*innen. Wohl jede*r von uns erinnert sich an das Aha-Erlebnis, wenn im eigenen, vertrauten Kiez ein Straßenfest vorbereitet wird und schon tags zuvor alle geparkten Pkw den Platz räumen müssen. Wie schön könnte es hier sein!
Die Bewegung gegen die autogerechte Stadt ist allgegenwärtig, selbst im Inneren überzeugter Autofahrer*innen. Aber ist sie auch machtvoll? Eher nicht. Im Alltag vorherrschend sind Fantasielosigkeit, Kleinmut und Ressentiment, wenn es darum geht, bei der Umkehrung dieses Irrwegs eines Teils der Industriegeschichte aktiv dabei zu sein. Die Berliner Verkehrssenatorin, Regine Günther (Grüne), erlebt jedes Mal einen Shitstorm, wenn sie vorsichtig die Vision der autofreien Stadt beschwört. Das wutschnaubende Echo kommt nicht nur von rechts, sondern aus der miefigen Mitte der Gesellschaft.
Allerdings, für die träge Unbeweglichkeit gab es schon immer einen unabweisbaren Grund: den Mangel an Alternativen. Dieser Grund ist nicht verschwunden. Die Alternativlosigkeit ist an Daten abzulesen, die deprimieren. Die absolute Zahl der Pkw wächst weiter, ebenso die der Pendler. Die Zulassungen von SUV erreichen Rekordhöhen.
Gleichzeitig verzichten in den Metropolen zunehmend junge Leute dauerhaft auf den Führerschein. Obwohl die Alternativen im Schneckentempo entstehen, hat sich etwas verändert. Radfahrer*innen schaffen es in Berlin in der Rushhour kaum noch in einer Ampelphase über die Kreuzung, weil mittlerweile so viele auf nur zwei Rädern unterwegs sind. Undenkbar vor zehn Jahren - und ein zivilisatorischer Fortschritt.
Die Politik reagiert auf diese Bedürfnisse. Sie verteilt, wenn auch im zähen Stellungskampf mit der trägen Bräsigkeit der automobilen Gesellschaft, den öffentlichen Raum neu. Demonstrativ und sichtbar. Der laufende Autoverkehr ist dabei nur das eine Problem, der das Leben in der Metropole so lieblos macht. Durch den Erfolg der Carsharing-Angebote wird dieses Problem nicht verschwinden. Das andere Problem ist der Parkverkehr, das tatsächlich schrumpft, wenn Autos nicht mehr durchschnittlich 23 Stunden am Tag am Straßenrand stehen, weil der Privatbesitz von Autos seinen Sinn verliert.
Auf dem Weg zur autofreien Stadt muss eine Strategie in kleinen Schritten gefahren werden. Nur so sind Alternativen durchsetzbar. Realität beflügelt Fantasie in Trippelschritten. Gegen alle Widerstände werden wir schon bald mit weniger Autos in den Städten leben. Es ist denkbar, dass wir das erst merken, wenn die Entwicklung unumkehrbar ist.
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