Das Jahr der Fertigstellungen

Langjährige Bahnhofsvorhaben der Bahn wie in Karlshorst sollen ein Ende finden

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Hallendach des Ostbahnhofs bekommt provisorische Stützen.
Das Hallendach des Ostbahnhofs bekommt provisorische Stützen.

Die Deutsche Bahn investiert in diesem Jahr eine Rekordsumme in das Berlin-Brandenburger Schienennetz. 840 Millionen Euro sollen für Instandhaltung und Ausbau von Gleisen, Weichen, Signalen und Bahnhöfen fließen. Eine der beeindruckendsten Maßnahmen läuft derzeit am Ostbahnhof in Berlin-Friedrichshain, wo die fast 100 Jahre alte Bahnhofshalle saniert wird.

Steffen Dieckmann, Leiter der Abteilung Großprojekte der DB Station & Service, zeigt an einer Stütze in der Halle auf ein kleines metallisch glänzendes Teil. »Das ist ein Messfühler, von dem wir alle 15 Sekunden den Wert für die Bewegung der Konstruktion abgreifen«, erklärt er und zeigt auf seinem Handy die App, mit der er überall sehen kann, ob ein kritisches Niveau erreicht wird. Sollte das der Fall sein, müssten die Bahnhofshalle geräumt und der Zugverkehr eingestellt werden. Das Chaos auf der Stadtbahn wäre perfekt. »Aber selbst in der Orkannacht zu Montag lag der Wert nur bei 0,1 Millimeter«, berichtet Dieckmann. Kritisch wird es erst ab drei Millimetern.

Die Vorarbeiten für die Sanierung der Stahlkonstruktion, die bis Ende 2025 dauern soll, haben schon im Frühjahr 2019 begonnen, als die Glasscheiben an der Nordfassade ausgebaut wurden. Um das Gewicht zu reduzieren und die Sogwirkung des Windes zu reduzieren. »Wir wollen verhindern, dass das Dach abhebt, wenn der Wind durchpfeift«, erklärt Jan Ebering, bei der Deutschen Bahn zuständig für die Bahnhöfe der Region. Vor allem die Verankerung im Erdreich muss erneuert werden. Dafür werden an der Nordseite 27 provisorische Fundamentkonstruktionen aus Stahl und Beton montiert, anschließend können die Erdanker gelöst und erneuert werden.

Bis Ostern sollen die bauzeitlichen Stützen fertig sein. Dann droht auch bei widrigem Wetter - Schneefall oder starkem Wind - keine Hallensperrung mehr. »Der Ostbahnhof ist sicher«, bekräftigt Ebering, durch die Überwachung einer der sichersten im Netz. Ende des Jahres sollen kurzzeitig einige Gleise gesperrt werden, um das Hängegerüst aufzubauen, von dem aus die Arbeiten am Dach erledigt werden. Längere Sperrungen wird es in absehbarer Zeit nicht geben, versichert Ebering.

Bis Ostern soll endlich auch der S-Bahnhof Warschauer Straße fertiggestellt werden, kündigt der Ingenieur an. »Ein sehr, sehr bewegendes Projekt, das intern schwierig zu begleiten war«, nennt Ebering den Bau, der es in seiner Fertigstellungsdauer mit dem Flughafen BER aufnehmen kann. Und tatsächlich liegt es auch hier am Brandschutz. »Die Läden und Aufzüge können erst freigegeben werden, wenn das Brandschutzkonzept final abgenommen ist«, so Ebering.

Wer am Ostkreuz mal muss, wird sich noch bis Mitte des Jahres gedulden müssen. Spätestens dann sollen die lange geforderten öffentlichen Toiletten eröffnen. Kostenlos werden sie allerdings nicht sein, betrieben werden sie von Sanifair. Bis das Dach über dem Regionalbahnsteig oben und die Vorplätze gestaltet sein werden, kann es aber noch dauern. »Das sind Finanzierungsthemen des Senats«, erklärt Ebering.

Bewegung kommt auch wieder in die Dauerbaustelle am S-Bahnhof Karlshorst. Der hintere Zugang zum Wohngebiet soll nun nach über anderthalb Jahren ebenfalls Ostern wieder geöffnet werden. »Da hat uns die Baufirma ein Stück weit im Stich gelassen«, sagt Ebering. Das seit Sommer 2018 fehlende Dach soll bis zum Spätsommer fertig sein. Dafür müssen sich die Anwohner auf eine dreiwöchige Sperrung und Ersatzbusse in den Sommerferien gefasst machen.

Auf die Frage nach den Gründen für die vielen, teils jahrelangen Bauverzögerungen gerade bei Bahnhofsprojekten wird Jan Ebering grundsätzlicher. »Man muss sagen, dass man zu Beginn des Projektes nicht ehrlich war. Die Fachleute wurden dahin gedrängt, trotzdem zu beginnen, obwohl die Planungen nicht fertig waren«, sagt er. »Ich möchte kein zweites Karlshorst«, kündigt er an.

Die Lehre lautet: »Erst fertig planen, dann erst bauen.« Das könne durchaus dazu führen, dass Projekte erst später als gewünscht angegangen werden. Eine weitere Herausforderung seien die Nachwuchsprobleme. »Nicht nur wir haben die, sondern auch Baufirmen und Planungsbüros.« Das führe nicht nur zu Verzögerungen beim Bau, sondern auch zu Problemen bei der Planung, wie sich beim S-Bahnhof Warschauer Straße gezeigt habe. Inzwischen gebe es eine eigene Abteilung »Planungsqualität«, mit den acht größten Planerbüros der Region wurde ein Runder Tisch gegründet. »Irgendwann nehme ich das nicht mehr auf die eigene Kappe. Dann hängt in Karlshorst auch das Planungsbüro und die Baufirma neben mir«, macht Ebering deutlich.

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