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Amthor holt die Leitkultur-Suppe aus dem Gefrierfach

Der CDU-Jungpolitiker ist wegen seiner Kandidatur für den Vorsitz in Mecklenburg-Vorpommern auf der Suche nach politischen Themen

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

Der CDU-Politiker Philipp Amthor möchte eine Debatte über die sogenannte Leitkultur Deutschlands anstoßen, melden am Montag zahlreiche Medien. Der Grund ist ein Sammelband mit dem Titel: »Eine Politik für Morgen. Die junge Generation fordert ihr politisches Recht«, der heute erscheint. Neben Amthor haben darin anderen junge Politiker*innen der CDU Beiträge veröffentlicht.

Lesen Sie hier: Amthor tritt ins deutsche Fettnäpfchen. Der CDU-Politiker provoziert mit der Aussage, Antisemitismus sei in Deutschland vor allem wegen der Migration von Muslim*innen ein Problem.

Auf den paar Seiten, die Amthor beigesteuert hat, beschäftigt er sich mit der Frage, was denn die Leitkultur Deutschlands sei und verlangt eine Diskussion über »unsere Hausordnung«. Amthor macht klar, dass aus seiner Sicht das Grundgesetz nicht ausreicht, wenn es um die wichtigen Werte und Regeln in Deutschland geht.

Das erinnert an die elende Debatte darüber, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht, die der kurzzeitige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) 2010 eher versehentlich anstieß, als er 2010 in einer Grundsatzrede den banalen Satz sagte: »Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.« Die Debatte schien beendet, nachdem sich Merkel den Satz zu eigen machte und ihn verteidigte. Vor zwei Jahren kochte Horst Seehofer das Süppchen jedoch wieder auf. Kurz nachdem er den Posten als Innenminister erhielt, machte der CSU-Politiker nochmal seine politische Linie klar. Er halte den Satz von Wulff für falsch, so Seehofer im März 2018.

Anlässlich seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Mecklenburg-Vorpommern könnte sich Amthor überlegt haben, dass Seehofers Anti-Merkel-Rhetorik keinerlei negative Konsequenzen hatte. Um sich selbst von anderen Politiker*innen abzuheben und es in die sensationsgeilen Medien zu schaffen, könnte er diese Kulturdebatten-Suppe wieder aus dem Gefrierschrank vorholen, auftauen und erneut aufkochen. Macht man einfach ein bisschen Maggi dran, das merkt keiner.

Für diejenigen, die noch etwas mehr Pfeffer brauchen, orientiert sich Amthor an Sätzen, die schon ein Dutzend andere CSU/CDU-Politiker*innen vor ihm bemüht haben. Es habe sich gezeigt, dass das von Politiker*innen aus dem linken Spektrum jahrelang propagierte »Multikulti«-Konzept eben kein »buntes Straßenfest« sei, sondern »Parallelgesellschaften«, kriminelle Familienclans und andere »dunkle Nebenstraßen« befördert habe, zitiert ihn der Nachrichtensender ntv. Unter Integration versteht er Assimilation, oder wie er es nennt: die »Eingliederung« in eine »von unserer Leitkultur geprägte Gesellschaft«.

Das aus dem Zusammenspiel von verschiedenen Kulturen etwas neues entstehen kann; dass an »Integration« immer zwei Seiten beteiligt sein und auch Deutsche ihre Kultur überdenken und anpassen müssen, kommt für Amthor folglich nicht in Frage. Wenngleich der 27-Jährige aus Ueckermünde seit drei Jahren im Bundestag in Berlin sitzt, ist er offensichtlich mit einem konservativen, geschlossenen Weltbild in die Hauptstadt gekommen. Ansonsten hätte er in dieser Stadt wahrnehmen können, dass Zuwanderung nicht Kriminalität bedeutet. Er hätte bei einem Essen in einem Dönerimbiss wahrnehmen können, dass dort Kinder mit deutschen Pässen, aber türkischen Eltern, ihre Hausaufgaben gemeinsam mit Kindern machen, die so aussehen, als wäre er ihr Vater.

Vermutlich hat Amthor die Räume der gelebten Integration in Berlin aber nie aufgesucht, weil er es vorzieht, seine deutsche Suppe zu essen. Für seine Kandidatur in Mecklenburg-Vorpommern hat er sich übrigens die Unterstützung von Ex-Unternehmer und CDU-Scharfmacher Friedrich Merz geholt. Kein Wunder.

Wirklich bedauerlich an Amthors neuestem Fehltritt ist: Er wird ihm vermutlich nicht ein mal schaden. Amthor und Merz bedienen eine Sehnsucht von Mitgliedern und Wähler*innen der CDU. Ob die CDU mit solchen Hardlinern frisch gebackene AfD-Anhänger*innen zurückholen kann, ist allerdings fraglich. Sie erinnern sich vielleicht noch an den Geschmack der CDU-Suppe von einst und würden auch wieder nach ihr greifen. Doch diese Suppe haben sie längst aufgegessen.

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