Regionale Wirtschaft trotzt unsicherer Weltlage
Laut Konjunkturreport Berlin-Brandenburg laufen Geschäfte stabil - Unternehmenserwartungen für 2020 gedämpft
»Die Konjunktur in Berlin-Brandenburg zeichnet ein gepflegtes ›sowohl als auch‹ aus. Es herrscht noch kein Pessimismus, aber Unsicherheit.« So umschrieb Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, die Stimmungslage in den Unternehmen der Region am Dienstag bei der Präsentation des gemeinsamen »Konjunkturberichts Jahresbeginn 2020«. Ihm liegt die Anfang Januar durchgeführte Befragung der IHK Berlin, Potsdam, Ostbrandenburg und Cottbus unter 1566 Unternehmen zugrunde.
Angesichts der Unruhe auf den Weltmärkten, ausgelöst durch den Handelsstreit USA-China, die Spannungen um den Iran, den Brexit oder aktuell die Corona-Epedemie, überrascht die repräsentative Umfrage mit der Botschaft: Das Konjunkturklima in Berlin-Brandenburg hat sich - nach der Eintrübung im Herbst - Anfang 2020 leicht entspannt. Die Geschäfte laufen demnach im Allgemeinen zwar gut, aber weniger schwungvoll als noch vor einem Jahr, wobei die Erwartungen der Unternehmen zurückhaltend bleiben. »Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Konjunktur in den kommenden Monaten rasch anzieht«, heißt denn auch in einer Mitteilung der beteiligten Kammern.
»Der steile Sinkflug, den wir im vergangenen Herbst beobachten mussten, hat sich zwar nicht fortgesetzt. Dies ist im Wesentlichen der Dienstleistungsbranche zu verdanken«, betonte auch Eder. Doch nicht nur für Dienstleister, die von der weitgehend stabilen Binnenkonjunktur profitieren, sondern auch für die Industrie läuft es weiter noch immerhin »ordentlich«, was auch auf das Exportgeschäft und sogar die Bauwirtschaft zutrifft. »Eine Trendwende sehen wir aber leider nicht«, sagte Eder angesichts weiter skeptischer Er᠆wartungen in Industrie und Handel. Aus Sicht der Unternehmen sind der Fachkräftemangel und die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen die größten Risiken für die Geschäftsentwicklungen.
Den Fachkräftebedarf bezeichnete der Cottbuser IHK-Chef Marcus Tolle als »die Achillesferse für eine weiterhin gute Geschäftsentwicklung der Berlin-Brandenburger Unternehmen«. 70 Prozent der befragten Firmen betrachteten ihn als Hauptrisiko. »Das zum 1. März in Kraft tretende Fachkräfteeinwanderungsgesetz kann partiell Erleichterung für den Zugang beruflich Qualifizierter aus Nicht-EU-Ländern in den deutschen Arbeitsmarkt bringen«, so Tolle. Schon jetzt zeigten Ukrainer mit beruflicher aber auch akademischer Qualifikation großes Interesse an der Arbeitsmigration nach Deutschland. Um aber Brandenburg für mehr Menschen als Arbeits- und Lebensraum interessant zu machen, werde man aber den Einwanderungsprozess für Arbeitgeber und Einwanderer unbürokratischer gestalten müssen. Auf Nachfrage stellte er klar, dass man gemeinsam mit allen Kräften in der Zivilgesellschaft vor Ort auch ein Klima der Toleranz und des Willkommens schaffen müsse.
Die Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingen in Berlin und Brandenburg in den letzten fünf Jahren wertet eine Mehrheit der Unternehmen positiv. Laut Gundolf Schülke, Hauptgeschäftsführer der IHK Ostbrandenburg, ist das Resultat der sehr guten konjunkturellen Lage, die zum Anstieg von Inlandsnachfrage, Kaufkraft und Beschäftigung führte.
Überwiegend zufrieden sind die Unternehmen mit ihren Standorten in Berlin und Brandenburg, jeweils mehr als ein Drittel von ihnen würden diesen befreundeten Unternehmern sogar weiterempfehlen, hieß es. Andererseits vermisst ein Drittel aller Befragten einen zukunftssicheren Breitbandausbau, herrscht überwältigende Unzufriedenheit mit dem Stand der Digitalisierung in den Behörden sowie der Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren. Jan Eder mahnte: »Kluge Standortpolitik ist deshalb das Gebot der Stunde.«
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