Rassismus symbolisch verurteilt

Nach dem Hanauer Anschlag fordern Vertreter von Minderheiten mehr Schutz

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bundesanwaltschaft hat nach dem Mord an zehn Menschen im hessischen Hanau am Donnerstag erklärt, dass der Todesschütze eine »zutiefst rassistische Gesinnung« hatte. Das habe die Auswertung von Videobotschaften und einer Art Manifest auf dessen Internetseite ergeben, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank in Karlsruhe. Neun Opfer hatten einen Migrationshintergrund. Es seien zudem sechs weitere Menschen verletzt worden, einer von ihnen schwer, sagte Frank. Die Bundesanwaltschaft hatte zuvor die Ermittlungen an sich gezogen. Es wird noch ermittelt, ob der mutmaßliche Täter Mitwisser oder Unterstützer gehabt habe.

Nach Angaben der Kurdischen Gemeinde Deutschland waren auch junge Kurden unter den Toten. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete unter Berufung auf den türkischen Botschafter in Berlin von fünf getöteten türkischen Staatsbürgern. Der Attentäter erschoss wohl am Ende seine Mutter und sich selbst.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem »Gift« des Rassismus in der Gesellschaft. Ihr Innenminister Horst Seehofer ordnete als Zeichen der Anteilnahme an allen öffentlichen Gebäuden in Deutschland Trauerbeflaggung an. Zudem wollte der CSU-Politiker am Donnerstagabend mit den Innenministern der Länder darüber beraten, »wie wir in den nächsten Tagen die Sicherheitslage noch besser gewährleisten können«.

Auch Politiker vom Koalitionspartner SPD setzten zunächst auf Symbolpolitik. Generalsekretär Lars Klingbeil forderte einen »Aufstand der Anständigen«. Alle müssten sich fragen, welche Rolle sie bei diesem Aufstand annehmen könnten, so Klingbeil. Der einstige SPD-Kanzler Gerhard Schröder hatte in der Vergangenheit ähnliche Appelle an die Öffentlichkeit gerichtet.

Vertreter von Minderheiten erhoben Forderungen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, erklärte, wer antimuslimischen Rassismus nicht klar benenne oder verharmlose, mache sich mitschuldig an der blutigen Gewalt gegen Minderheiten. Muslimische Gotteshäuser und Repräsentanten der Religionsgemeinschaft müssten von den Sicherheitsbehörden besser geschützt werden, forderte Mazyek. Er rief Muslime auf, auch eigene Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Für den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat der Anschlag auf brutale Weise gezeigt, wie weit die Hemmschwelle unter Rechtsradikalen und Rassisten gesunken sei. Auch dadurch, dass demokratische Parteien der AfD immer mehr Raum geben und damit die Abgrenzung zu den Extremisten auch innerhalb der AfD unterlaufen werde, hieß es in einer Mitteilung des Zentralratsvorsitzenden Romani Rose.

Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis kritisierte die Sicherheitsbehörden. Unter Hans-Georg Maaßen habe der Verfassungsschutz im Kampf gegen Rechtsterrorismus versagt, erklärte die Sozialdemokratin. Sie forderte eine unabhängige Untersuchungskommission, um Maaßens Amtszeit aufzuarbeiten. Er war ein enger Vertrauter von Seehofer.

Am Donnerstagabend waren in mehr als 50 deutschen Städten spontane Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen geplant. Die Teilnehmer wollten ein Zeichen gegen Rassismus setzen.

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