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Der Doppelkeks
SCHUFA DER LIEBE: Paula Irmschler stimmt ein Loblied auf ein bekanntes Gebäck an
Es ist Karneval und das bedeutet, zurückgeworfen zu werden auf die niedersten Instinkte. Auf Animalisches, auf Triebhaftes, auf Kindliches, auf Geiles, auf Lust und Sehnsucht und Genuss. Genau, es geht um Fresserei. Jemand hat beim Geisterzug Doppelkekse dabei. Och, ja. Einige Stunden rumlaufen, sich Sekt reinknuspern, Verkleidungen und den Anlass nicht verstehen, so was strengt an. Wir brauchen Energie. Also nehmen wir gern vom heiligen, griffigen Runden, wühlen aufgeregt in der Packung, reißen noch ein wenig von dem gerillten, dicken Kekspapier auf, um ranzukommen, an ihn, an den Keks, um dranzukommen, um jetzt die Nächsten zu sein, die sich einen schnappen dürfen, und da ist er schon, und: Happs, im Maul. Und wir erinnern uns. An diese heiß geliebte, gute alte Süßigkeit. Wie lange haben wir dich verschmäht. Du genialer Doppelkeks, wir Narren! Ein Bissen, und wir sind wieder da. Im Bettchen der Vergangenheit mit dem Doppelkeks und den vielen Träumen.
Der Doppelkeks ist das ehrlichste Essen der Welt. Er ist das Erste, was wir uns vom Taschengeld kaufen und wodurch wir uns eigene Freude und Freunde machen. Denn es ist genug für alle da. »Bitte, gern, hier ein Doppelkeks«, und man ist zusammen. Der Doppelkeks ist Sozialismus. Er ist alles, was wir brauchen, und macht alle froh. Er ist nicht zu viel, nicht zu wenig, kein Schnickschnack, aber auch nicht fad. Der normale Keks und die normale Schokolade, und alles ist on point. Alles ist gut. Niemandem ist es je schlecht gegangen nach einem Doppelkeks oder nach drei Doppelkeksen. Er befriedigt uns. Er begleitet uns auf langen Busfahrten, Autofahrten, Zugreisen. Er ist unser Weg. Ohne ihn kommt man nicht an. In Schullandheimen krümelt er unser Gepäck voll, weil wir ihn in seiner Verpackung zwischendurch ganz unten vergessen haben. Dann erfreut er uns noch mal bei der Abreise und ist auch stets geeignet für Kakaoexzesse zu Hause (Stichwort: Reinditschen). Er gehört in Rucksäcke, aber auch in Schränke und eben in den Mund.
Auf den Glückseinkommensnachweis zu lange gewartet, die Kaution des Lebens nicht zurückbekommen: Paula Irmschler sammelt in ihrer Schlager-Kolumne Haben und Soll und findet Gold in jeder Scheiße.
Der Doppelkeks ist einfach und fertig. Knackiges Reinbeißen, sütschiges Zusammenkauen. Wir wissen, was wir bekommen, wenn wir ihn sehen. Keine versteckten Inhaltsstoffe, keine Überraschung. Er tut, was er tun muss. Er regt den Appetit an und er beendet ihn. Teilweise kann man nicht aufhören, manchmal zögert man, ihn überhaupt anzufangen. Doch man wird immer wieder bei ihm landen, weil man weiß, was gut für einen ist. Er ist das wichtigste Essen unserer Klasse. Es ist wahr. Sie haben sich gerade eine Kolumne über Doppelkekse durchgelesen, und nun denken Sie: Och, ja. Vielleicht gehen Sie gleich noch mal los; sicher denken Sie beim nächsten Mal im Supermarkt daran. Viel Spaß jedenfalls. Sie haben es sich verdient.
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