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Warten auf Entschädigung
Bis zur Kundus-Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes wird noch mindestens ein Jahr vergehen
Straßburg. Gut zehn Jahre nach dem verheerenden Nato-Luftangriff im afghanischen Kundus hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Mittwoch mit der Klage eines Afghanen gegen Deutschland befasst. Der Kläger Abdul Hanan wirft der Bundesregierung einen Verstoß gegen die Menschenrechts-Konvention vor.
Er hatte bei dem Luftangriff am 4. September 2009 zwei Söhne im Alter von acht und zwölf Jahren verloren. Veranlasst hatte den Angriff der deutsche Oberst Georg Klein (mittlerweile General). Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Almut Wittling-Vogel, äußerte bei der Verhandlung vor der Großen Kammer des Gerichts Verständnis für das »tiefe Leid« des Familienvaters. Die Bundesregierung beruft sich nach den Worten von Anwältin Heike Krieger aber darauf, dass der Angriff nicht unter deutscher Jurisdiktion erfolgte, »da der Angriff im Namen der Vereinten Nationen ausgeführt wurde«.
Der Anwalt von Kläger Hanan verwies dagegen darauf, dass es »eine Reihe verbindlicher Anweisungen« des deutschen Oberst für den Luftangriff gegeben habe, die ohne jede UN-Kontrolle erfolgt seien. Dies sei ein Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention, argumentierte er. Nach Angaben des Gerichts ist eine Entscheidung in dem Fall in rund einem Jahr zu erwarten.
Es könnte dem afghanischen Kläger eine Entschädigung von 30.000 Euro zusprechen. Hanan sowie weitere Hinterbliebene waren zuvor mit Entschädigungsklagen vor deutschen Gerichten gescheitert. Die Bundesregierung hatte den betroffenen Familien nach eigenen Angaben aber eine »humanitäre Hilfsleistung« in Höhe von 5000 US-Dollar gezahlt. Bei dem von Oberst Klein veranlassten Nato-Luftangriff nach der Entführung zweier Tanklastzüge durch die Taliban wurden nach unabhängigen Zählungen bis zu 142 Menschen getötet. Offiziell ist von 91 Toten und elf Verletzten die Rede. Der Luftangriff führte zu einer Regierungskrise in Berlin. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) trat Ende 2009 von seinem neuen Amt als Arbeitsminister zurück. Ihm wurde die Vertuschung brisanter Informationen vorgeworfen. AFP/nd
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