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- Straßenbahnneubau in Berlin
Das Ende der Autoschneise
Die Straßenbahn soll die Leipziger Straße menschenfreundlicher machen
»Es geht darum, die Stadt umzugestalten, sie menschenfreundlicher zu machen. Deswegen wollen wir versuchen, den motorisierten Individualverkehr deutlich zu reduzieren«, sagt Hartmut Reupke, Leiter der Abteilung Verkehr in der Senatsverwaltung für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz am Dienstagabend.
In der Leipziger Straße soll der Hebel für dieses Anliegen der Bau der Straßenbahnstrecke vom Alexanderplatz bis zum Potsdamer Platz sein. Für den Autoverkehr soll nach den präferierten Planungen nur noch eine Spur pro Richtung übrig bleiben, lässt bei dem Informationsabend über den Projektstand in der Alten Münze die Verwaltung die Katze aus dem Sack. Allerdings, so räumt Reupke ein, muss aus rechtlichen Gründen auch eine zweispurige Alternativplanung erstellt werden.
Letztlich ist das nur die Folge der konsequenten Anwendung des Mobilitätsgesetzes, das mindestens zwei Meter breite Radspuren an Hauptstraßen sowie den Vorrang für den Öffentlichen Personnennahverkehr vorsieht. »In Summe werden wir den motorisierten Individualverkehr deutlich - wohl um die Hälfte - reduzieren können«, erklärt Holger Kölling-Orb von der Verkehrsverwaltung.
Gegenüber den ersten, im Juni vergangenen Jahres vorgestellten Planungen muss sich die Straßenbahn an der Engstelle der Leipziger Straße zwischen Charlottenstraße und Leipziger Platz mit knapp 500 Metern fast nur noch die Hälfte der einst vorgesehenen Streckenlänge mit Autos teilen. Damit steigt die Chance, dass die Straßenbahnen mit Hilfe einer Ampelschaltung jeweils vor der Autokolonne fahren können. Eine Lösung, die in anderen Städten reibungslos funktioniert. Auch zwei Meter breite Radspuren sind vorgesehen.
Auch im breiten Teil der Leipziger Straße könnte nur noch eine Autospur übrig bleiben. Der gewonnene Platz soll für die Tram, drei Meter breite Radwege, einen »bestäuberfreundlich bepflanzten Mittelstreifen« sowie einen »Multifunktionsstreifen für Liefern, Anliegerparken, Laden von Elektrofahrzeugen et cetera« genutzt werden, so Kölling-Orb.
Da es derzeit »keine vernünftigen Angebote für Radfahrer und ÖPNV-Nutzer in der Leipziger Straße und in der großen Relation von Weißensee bis zum Rathaus Steglitz« gebe, glaubt Reupke an einen großen Beitrag der Strecke für die Verkehrswende.
Die von Anwohnern getragene Interessengemeinschaft Leipziger Straße sowie der Verein Changing Cities haben einen anderen Vorschlag. Sie wollen die gesamte nördliche Fahrbahnhälfte in einen Hunderte Meter langen Park verwandeln. »Man verschenkt viel Platz durch die ganzen nötigen Abstandsflächen zwischen Straßenbahnstrecke, Radspur, Fahrbahn und Parkspur«, sagt Hendrik Blaukat, Vorstand der IG Leipziger Straße, zu »nd«. »Es sollte einen Wettbewerb geben, wie dieses breite grüne Band gestaltet werden kann«, fordert er. Mit dieser Idee habe man sich noch gar nicht beschäftigt, muss Kölling-Orb einräumen. »Es ist sehr schwierig, die verschiedenen Senatsverwaltungen und den Bezirk Mitte auf eine gemeinsame Linie zu bekommen«, berichtet Anwohnervertreter Blaukat und seufzt.
Auch für den Bereich vom Alexanderplatz über die Rathausstraße bis zum Spittelmarkt sind die Planungen vorangeschritten. Eine Haltestelle soll an der Seite zur Spandauer Straße des Roten Rathauses eingerichtet werden. Bei Staatsbesuchen oder während der Arbeiten für das jährliche Sommerfest des Regierenden Bürgermeisters müssen die Züge einen Umweg über die Karl-Liebknecht-Straße nehmen.
Erstaunlich an der Informationsveranstaltung mit um die 150 Besuchern ist, dass nur eine Person - und das eher zaghaft - Bedenken wegen der massiven Einschränkungen für den Autoverkehr anmeldet. Eher wird kritisiert, dass die Strecke nach Auskunft von Hartmut Reupke, »wenn alles gut geht«, erst 2027 in Betrieb genommen werden kann. Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag von 2016 war ein Baubeginn bis 2021 vereinbart worden. Er versichert, dass auch die Verlängerung bis zum Rathaus Steglitz und der Abzweig vom Spittelmarkt zum Mehringdamm weiter vorgesehen sind. »Es ist nur leider so, dass es leider doch sehr viel länger dauert, die intensive Diskussion für den Ausbau zu machen«, so Reupke.
»Es muss schon vorher etwas auf der Leipziger Straße passieren«, fordert Hendrik Blaukat. Zum Beispiel die bauliche Abtrennung einer Radspur und der Busspur.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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