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Ein Platz für August Bebel gesucht

Im Zimmer der Landtagsvizepräsidentin wurde ein Gemälde des Urvaters der Sozialdemokratie abgehängt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Die brandenburgische SPD möchte ihrem Urgestein August Bebel - beziehungsweise genau genommen seinem Abbild - einen würdigen Platz bieten. Das Gemälde »August Bebel spricht vor dem Reichstag 1905« des Potsdamer Malers Heinz Böhm soll bei der SPD-Landtagsfraktion seinen Platz finden, bestätigt am Dienstag Sprecher Gerold Büchner. Die SPD-Fraktion stehe diesbezüglich im Austausch mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark.

Wie die Tageszeitung »Märkische Allgemeine« in ihrer Dienstagausgabe berichtete, befindet sich dieses Bild derzeit abgestellt, aber eben auch abgehängt, in einem Büro des Landtagsschlosses. Bis zum Sommer 2019 war das Gemälde einige Jahre lang im Dienstzimmer des Landtagsvizepräsidenten Dieter Dombrowski (CDU) zu bewundern. Ihm gelang bei der Landtagswahl im September 2019 aber nicht mehr der Wiedereinzug ins Parlament. Die neue Landtagsvizepräsidentin Barbara Richstein (CDU) trennte sich umgehend von dem Kunstwerk. Es wurde eingelagert.

Der »Märkischen Allgemeinen« zufolge gibt es neben der SPD-Fraktion auch andere, die sich für das Bild interessieren. Der Vorsitzende der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung Pete Heuer (SPD) kann sich demnach ebenfalls vorstellen, dem Bebel-Gemälde einen angemessen Platz in den Räumlichkeiten der SPD-Stadtfraktion einzuräumen.

Warum er als CDU-Politiker den sozialistischen Ahnen August Bebel bei sich im Dienstzimmer hatte und auf diese Weise würdigte, erklärt Ex-Landtagsvizepräsident Dombrowski dem »nd« am Dienstag damit, dass er in Bebel einen »Vorkämpfer für die parlamentarische Demokratie« sehe und das in »wirklich schwierigen Zeiten«. Von der Existenz des Kunstwerks Wind bekommen habe er durch die damalige SPD-Landtagsabgeordnete Elisabeth Alter, mit der er befreundet sei. Sie habe erfahren, dass eine Schule in Michendorf (Potsdam-Mittelmark), die zu DDR-Zeiten den Namen August Bebels trug, dieses 2,70 Meter mal 1,60 Meter große Bild im Zuge einer Umbenennung der Bildungsstätte abgehängt und im Keller eingelagert habe. Der Sohn des 1978 verstorbenen Malers, Hans Böhm, habe es vor vielen Jahren der SPD anbieten wollen, doch die habe damals kein Interesse gezeigt. So habe er, Dombrowski, es als Leihgabe in sein Dienstzimmer genommen.

August Bebel (1840-1913) gehörte 1869 in Eisenach zur den Gründungsvätern der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP, später SPD). Er war Parteivorsitzender und Reichstagsabgeordneter. Er war ein überzeugter Marxist und genoss hohes Ansehen. Sein Tod wurde nicht nur innerhalb der SPD betrauert. 1903 sagte er bei einem Parteitag in Dresden: »Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesellschaft und Staatsordnung bleiben, um sie in ihren Existenzbedingungen zu untergraben, und sie, wenn ich kann, beseitigen.«

Dennoch könne man auf diesen Mann stolz sein, sagt Dieter Dombrowski. Er ziehe es vor, so betonte Dombrowski, Menschen nicht nach einzelnen Sätzen oder einmaligen Aussprüchen zu bewerten.

Heinz Böhm malte das Bild Anfang der 1970er Jahre als Auftragsarbeit für den Neubau der damaligen Erweiterten Oberschule »August Bebel« in Michendorf. Nach der Umbenennung in Wolkenberg-Gymnasium zu Beginn der 1990er Jahre wanderte Bebel in den Keller. 20 Jahre später spürte Sohn Hans dem Schicksal der Werke seines Vaters nach. Dass nun das Bebel-Gemälde im Zimmer des SPD-Fraktionsvorsitzenden Erik Stohn aufgehängt werden soll, nennt Künstlersohn Hans »erst mal eine gute Lösung«. So zitierte ihn die »Märkische Allgemeine«.

Tatsächlich maßgeblich ist der Landkreis Potsdam-Mittelmark, dem das Bild gehört. Mitte Februar wurde Hans Böhm von der Landtagsverwaltung informiert, das Bild werde spätestens Ende Februar an den Landkreis zurückgegeben. Zunächst wurde diese Frist bis Ostern verlängert. Der Landkreis habe dem Landtag inzwischen mitgeteilt, dass er »keine Einwände gegen eine weitere Leihgabe des Kunstwerks« habe, heißt es. Nachdem die Geschichte Kreise zog, soll nun auch der Schulleiter des Wolkenberg-Gymnasiums mitgeteilt haben, dass mit einem für 2022 geplanten Anbau ein Platz für das Gemälde geschaffen werden könne. Eine Landtagssprecherin erklärte: »Sollte es bis dahin keinen neuen Ort für das Gemälde geben, wird das Bild nach Ostern zurück an das Wolkenberg-Gymnasium gehen.«

Die Entscheidung, das Bild im Zimmer von SPD-Fraktionschef Stohn zu präsentieren, würde dem entgegenstehen. Aus der Landtagsverwaltung war zu erfahren, dass es Schwierigkeiten geben werde, das große Bild an der dünnen Trockenbauwand in Stohns Zimmer aufzuhängen. Es wiegt fast zwei Zentner.

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