- Berlin
- Bernau
Die AfD mit der Sammelbüchse besiegt
Deutlich mehr Spenden für Pro Asyl als Teilnehmer bei einer Kundgebung der asylfeindlichen Partei in Bernau
»Alerta, Alerta, Antifascista«, animierte Isabelle Czok-Alm ihre mehr als 200 Zuhörer, diese Losung zu skandieren. Am Bahnhof von Bernau (Barnim) hielt die Linke-Kreisvorsitzende eine Sammelbüchse in der Hand. Männer und Frauen traten vor und steckten 10- und 20-Euro-Scheine hinein, eine Frau einen Fünfziger.
Nur ein paar Schritte entfernt demonstrierte unter den Augen der Polizei die AfD. Es war eine Kundgebung ihrer Reihe »Merkel muss weg«, geboren in der Phase, als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine humane Asylpolitik machte. 40 bis 50 Leute sind gekommen, darunter die Landtagsabgeordneten Franz Wiese und Christoph Berndt (beide AfD). Etwas abseits stand der Kreistagsabgeordnete Heinz-Dieter Parys (AfD) und empörte sich, abgedrängt worden zu sein. Parys gehört zur innerparteilichen Strömung »Die Mitte«, die verglichen mit dem völkischen Flügel Björn Höckes als etwas moderater gilt. Im Barnim hat sich die Kreistagsfraktion der AfD zu Jahresbeginn gespalten. Über seine Parteifreunde am Bahnhof sagte Parys abschätzig: »Das sind alles Flügel-Leute.«
Bei der AfD wurden Reden gehalten, die Gegendemonstranten buhten und pfiffen. Bei der AfD wurde lauter geredet, die Gegendemonstranten übertönten sie wieder. So ging das eine Weile. Es blieb friedlich. Organisiert wurde die Gegenkundgebung von der Linken und dem Bündnis für Weltoffenheit. »Stoppt die Brandstifter, Solidarität statt Hass, Hetze & Gewalt«, lautete das Motto. Es sollte ein Zeichen gesetzt werden, und das gelang eindrucksvoll. Denn man hatte sich vorgenommen, gerechnet auf jeden Teilnehmer der AfD-Kundgebung mindestens zehn Euro Spenden einzusammeln für Pro Asyl, Women in Exile und das Barnimer Bürger*innen-Asyl. 822,12 Euro landeten schließlich in der Sammelbüchse von Isabelle Czok-Alm.
Von ihrer Linkspartei waren viele bekannte Gesichter zu sehen, darunter Dagmar Enkelmann von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Ex-Wirtschaftsminister Ralf Christoffers, die in der Gegend wohnen, außerdem Thomas Domres, Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion, der sich eine Ordnerbinde überstreifte. Der neue Landesvorstand war zahlreich vertreten. Er hatte seine konstituierende Sitzung extra in die Bernauer Geschäftsstelle der Partei verlegt, um anschließend mitdemonstrieren zu können. Normalerweise hätte die Vorstandssitzung in Potsdam stattgefunden, erklärte Landeschefin Anja Mayer.
Ein paar Sozialdemokraten waren auch am Bahnhof. Der SPD-Stadtverordnete Josef Keil demonstrierte hier allerdings zugleich gegen die AfD und gegen die Linke. An seinem Auto hatte er ein Schild befestigt, auf dem stand: »Die zwei Prozent Reichen und die Flüchtlinge sind Menschen wie du und ich. Erschießen oder in Arbeitslager sperren ist gleichermaßen ein Gewaltverbrechen.« Keil spielte damit an auf eine unmögliche Äußerung einer Genossin bei einer Strategiekonferenz in Kassel. Diese hatte vom Erschießen des einen Prozents der Reichen gesprochen, worauf Parteichef Bernd Riexinger zunächst zu lasch mit dem missglückten Witz reagierte, man werde die Reichen nicht erschießen, sondern nützlich arbeiten lassen. SPD-Mann Keil schlussfolgerte, dass AfD und Linke an den extremen Rändern stehen. Sein Auto hatte er aber näher zur Linken hin positioniert und weiter weg von der AfD. Es waren die Gegendemonstranten, die sich von Keil gern heißen Tee oder Kaffee einschenken ließen. In seinem Kofferraum lag eine schwarz-rot-goldene Flagge - trotzig ausgebreitet als Symbol einer demokratischen Bundesrepublik. Denn bei der AfD wurden wie vorher angekündigt zahlreiche Deutschlandfahnen geschwenkt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.