Wie tief fällt der Ölpreis?

Uneinigkeit zwischen Saudi-Arabien und Russland könnte auch für US-Firmen teuer werden

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 4 Min.

Angefangen hat es mit einem Nachfrageschock. Wegen der Corona-Epidemie ist der Ölverbrauch in den vergangenen Wochen stärker gefallen als jemals zuvor: um 3,8 Millionen Barrel (à 159 Liter) pro Tag wie die Marktforscher von IHS Markit ausgerechnet haben. Folglich verbilligte sich Öl spürbar. Um einen weiteren Preisverfall zu verhindern, wollte das Ölkartell Opec gemeinsam mit Russland eine Förderkürzung um 1,5 Millionen Barrel pro Tag vereinbaren.

Doch Moskau weigerte sich bei einem Treffen am Freitag mitzuziehen. Einen Tag später kündigte dann Saudi-Arabien an, die Ölpreise deutlich zu senken. Am Montag folgte dann zum Handelsauftakt an den Rohstoffmärkten der stärkste Preisrutsch für Öl seit dem Golfkrieg 1991. Seit Jahresbeginn hat sich der Preis etwa für die Nordseeölsorte Brent von 66 Dollar auf noch 33 Dollar halbiert. Der Aktienkurs der staatlichen Saudi Aramco, des größten Ölunternehmens der Welt, ist am Montag um weitere zehn Prozent eingebrochen und liegt damit deutlich unter dem Ausgabepreis von Dezember 2019.

Die Investmentbank Goldman Sachs vermutet, dass Russland die US-Frackingfirmen aus dem Markt drängen will. Der absehbare Preissturz könnte als Antwort auf die Sanktionen der US-Regierung gegen die Erdgaspipeline Nord Stream 2 zu verstehen sein.

Anfang April droht zudem ein Angebotsschock - dann läuft das bestehende Abkommen zwischen Russland und den Opec-Mitgliedern aus, das die Produktionsmenge derzeit noch begrenzt. Der russische Ölminister Alexander Nowak sagte: »Ab dem 1. April sind weder wir noch die Opec oder ein anderes Land verpflichtet, Förderbegrenzungen zu machen.« Saudi-Arabien hat bereits angekündigt, die eigene Produktion zu erhöhen.

Eine solche Kombination aus Nachfrage- und Angebotsschock hat es zuletzt in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gegeben. Damals kam es im Zuge der Weltwirtschaftskrise zu einem Nachfrageeinbruch, während durch das neu eröffnete Ölfeld »East Texas« plötzlich viel Öl zusätzlich auf dem Markt angeboten wurde. Das Resultat: Im Juli 1931 fiel der Ölpreis auf noch 13 US-Cents pro Fass respektive auf 0,08 Cents pro Liter. In jüngerer Vergangenheit ging es nicht mehr ganz so weit runter. 1998 kostete Öl zeitweise 9,55 US-Dollar, und 2016 war das Barrel für 27,10 Dollar zu haben. Solche Preise sind nun erneut möglich, meint Roger Diwan, Analyst von IHS Markit. »Wir werden wahrscheinlich die niedrigsten Ölpreise in den letzten 20 Jahren sehen.«

Das wird Förderländer und auch westliche Ölkonzerne hart treffen. Am schlimmsten dürfte es für den Iran werden. Wie der Internationale Währungsfonds ausgerechnet hat, benötigt das Land einen Ölpreis von etwa 125 Dollar, damit der Staatshaushalt ausgeglichen ist. In Saudi-Arabien liegt dieser Wert bei 85 Dollar und in Russland bei 42 Dollar.

Welche Auswirkungen der Preiskrieg auf die US-Frackingfirmen haben wird, ist schwieriger zu sagen. Schon 2016 hatte die Opec versucht, diese mit niedrigen Preisen aus dem Markt zu drängen, und scheiterte. Die Frackingunternehmen wurden nur wettbewerbsfähiger. Mittlerweile hat sich aber die Einstellung der Finanzmärkte gegenüber diesen gewandelt. Firmen, die in den kommenden Monaten Kredite oder Anleihen zurückzahlen müssen, werden Schwierigkeiten haben, diese zu refinanzieren. Die Öl- und Gasindustrie hat von allen Branchen mit elf Prozent den höchsten Anteil am Markt für Anleihen geringer Bonität (»Junk Bonds«), für die aus diesem Grund hohe Zinsen verlangt werden. Schon jetzt hat bereits gut die Hälfte von ihnen eine Rendite, die mehr als zehn Prozentpunkte über der Rendite von US-Staatsanleihen liegt. Ab diesem Wert gilt eine Anleihe als stark ausfallgefährdet.

Sollten Liquiditätsprobleme eine Insolvenz nach sich ziehen, bedeutet das allerdings nicht unbedingt, dass die betroffenen Ölfirmen ihre Produktion einstellen müssen. Sie erhalten zunächst einfach Schutz vor den Forderungen der Gläubiger. Damit die Förderung in den USA deutlich zurückgeht, müsste der Ölpreis über lange Zeit sehr niedrig bleiben. Dann wird weniger in neue Bohrlöcher investiert, und das Angebot sinkt.

Damit der Ölpreis wieder steigt, muss aber noch eine weitere Bedingung erfüllt sein: Die Nachfrage muss sich erholen - dies steht aufgrund der Folgen der Coronavirus-Epidemie aktuell in den Sternen.

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