Spielplätze gesperrt, Busse fahren

Brandenburgs Kabinett beschließt Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Pünktlich um Mitternacht mussten am Dienstag in Potsdam alle Kneipen, Museen, Kinos, Konzerthallen, Spielkasinos und Wettannahmestellen geschlossen werden – wenn sie es nicht ohnehin schon waren. Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen hat die Stadt untersagt, bei Veranstaltungen mit weniger Teilnehmern müssen von allen Anwesenden Namen, Anschrift und Telefonnummer erfasst werden. Dabei könnte es nicht bleiben: »Wenn am Dienstag wie angekündigt eine Regelung des Landes veröffentlicht wird, die noch weitreichender ist als unsere Regelung, dann werden wir diese selbstverständlich übernehmen«, erklärte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).

Bereits am Montagabend hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (ebenfalls SPD) in der Staatskanzlei die Presse informiert, was sein Kabinett am Dienstag beschließen will, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Diese Regelungen sollen ab diesen Mittwoch gelten, wenn im Bundesland auch die Kitas und Schulen geschlossen werden und es lediglich noch eine Notbetreuung für Kinder gibt, deren Eltern beide als Ärzte, Krankenschwestern, Polizisten oder in anderen für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens erforderlichen Berufen arbeiten.

Das Land Brandenburg verfügt, was Bund und Länder in einer Telefonschaltkonferenz als bundeseinheitliche Maßnahmen abgesprochen haben. Dazu gehört, dass Gaststätten nur noch zwischen 6 und 18 Uhr geöffnet sein dürfen. Die Benutzung der Spielplätze wird untersagt. Sie sollen auch im Land Brandenburg gesperrt werden. Es war vielerorts zu beobachten, dass Kinder schon nicht mehr in die Kitas und Grundschulen gehen, aber auf Spielplätzen herumtollen, was die Lage sogar noch komplizierter macht. Denn die Kitafreunde und Schulkameraden sind namentlich bekannt und können bei einer Infektion informiert werden. Bei anonymen Spielplatzbekanntschaften ist das nicht möglich.

Ziel der Maßnahmen sei es, die sozialen Kontakte einzuschränken, erläuterte Ministerpräsident Woidke. Damit soll die Ansteckungsgefahr reduziert und die Ausbreitung der Krankheit reduziert werden. Nicht geschlossen werden soll, was für den Lebensbedarf unerlässlich ist, also etwa Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Drogerien, Tankstellen, Banken und Lieferdienste. Hamsterkäufe seien deshalb nicht notwendig, versicherte die Staatskanzlei.
Der Ministerpräsident betonte, Brandenburg werde »keine Abstriche« beim Öffentlichen Personennahverkehr machen, also keine Busse und Bahnen abbestellen, sondern diese im vollen Umfang weiter finanzieren. Der Gedanke dahinter: »Es macht keinen Sinn, wenn statt fünf Bussen nur einer fährt und der ist brechend voll, was die Ansteckungsgefahr erhöht.« Wenn künftig Busse ausfallen sollten, dann nur, weil Busfahrer erkranken und die Verkehrsbetriebe nicht mehr genügend Personal haben.

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) stellte ausdrücklich klar, dass keine Ausgangssperre verhängt ist. »Bewegung an frischer Luft ist gesund.« Auch dürfe man selbstverständlich mit dem Hund Gassi gehen, wonach Bürger gefragt hatten. Nonnemacher konnte und wollte aber auch nicht ausschließen, dass künftig doch eine Ausgangssperre nach dem Vorbild Italiens angeordnet werden muss. Für den Moment sei dies aber nicht notwenig. Man wolle zunächst einige Tage abwarten und schauen, ob die neuen Maßnahmen greifen und ausreichen.

Zwar riet die Gesundheitsministerin davon ab, alte Angehörige in Pflegeheimen zu besuchen, weil diese zur Risikogruppe gehören. Sie wollte diese Empfehlung aber nicht als Dogma verstanden wissen. Nonnemacher, von Beruf Ärztin, berichtete davon, dass es in den Heimen demente Menschen gebe, denen nicht mehr zu erklären sei, warum sie plötzlich keinen Besuch mehr bekommen. Diese könnten die aktuelle Situation einfach nicht verstehen. »Es ist ein Elend.« Solchen Menschen würde es dadurch so schlecht gehen, dass ein kurzer Besuch bei ihnen doch angebracht sein könnte. Einzelne Krankenhäuser haben inzwischen vorsorglich eingeschränkte Besuchszeiten eingeführt, das Aufsuchen der Patienten jedoch nicht vollständig untersagt.

»Was zur Krisenbewältigung notwendig ist, darf nicht am Geld scheitern – dieser Grundsatz muss gelten«, meinten die Doppelspitzen von Landesvorstand und Landtagsfraktion der Linkspartei am Dienstagmorgen in einer Pressemitteilung. Anja Mayer, Katharina Slanina, Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter erklärten, dazu gehöre beispielsweise, »dass die Krankenhäuser finanzielle Mittel erhalten, um Vorhaltemaßnahmen wie die Beschaffung zusätzlicher Beatmungsgeräte über die üblichen Investitionsmittel hinaus schnell realisieren zu können«. Für schnelle und unbürokratische Unterstützung sollte ihrer Ansicht nach ein Hilfsfonds für Kommunen, Vereine, Kleinunternehmer und Kulturschaffende eingerichtet werden.

Das Potsdamer Gesundheitsministerium meldet jetzt gewöhnlich gegen 17.20 Uhr die aktuelle Zahl der bestätigten Coronavirus-Infektionen in Brandenburg. Am Montagabend waren es 94 und damit zehn mehr als am Sonntagabend. Erstmals wurde ein Fall aus der Stadt Brandenburg/Havel gemeldet. Damit sind nur noch Frankfurt (Oder) sowie die Landkreise Ostprignitz-Ruppin, Prignitz und Uckermark frei davon. Bislang gebe es in Brandenburg keine kritischen Erkrankungen, sagte Ministerin Nonnemacher.

Auch Journalisten stellt die Corona-Krise vor eine Herausforderung: Bei dem Pressegespräch in der Potsdamer Staatskanzlei mussten sich die Anwesenden für den Fall der Fälle in eine Liste eintragen und untereinander genügend Abstand halten. Zudem wurde das Gespräch live im Internet übertragen – allerdings mit einer mäßigen Resonanz von 87 Zuschauer. Die Landespressekonferenz (LPK), ein Zusammenschluss von Journalisten, hält es aber vorerst für richtig, weiterhin zu ermöglichen, dass Pressevertreter den Politikern direkt gegenüberstehen können. »Ein Statement per Livestream kann bei fortschreitender Infektionsgefahr eine Alternative sein«, so der LPK-Vorsitzende Benjamin Lassiwe. »Pressekonferenzen leben aber von den spontanen Fragen der vor Ort anwesenden Kollegen und den informellen Gesprächsmöglichkeiten auch nach Ende des Termins.« Abstand zu halten, sei allerdings das »Gebot der Stunde«.

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