Kliniken unter staatlicher Kontrolle
In Spanien zeigen sich die Folgen der Privatisierung
»Gute Nacht« schallt es wie hier im katalanischen Barcelona allabendlich von Balkonen im ganzen spanischen Staat, um sich nach gemeinsamem Applaus für die Beschäftigten im Gesundheitswesen in der Coronakrise auch gegenseitig aufzumuntern. Seitdem der spanische Regierungschef Pedro Sánchez am Samstag den Alarmzustand und eine Ausgangssperre verkündet hat, verständigen sich Bewohner nun per Zuruf.
Spanien, das in Europa nach Italien nun am schwersten betroffen und weltweit mit 13 700 Infektionen auf den vierten Rang aufgerückt ist, ist schlecht auf die Pandemie vorbereitet. Gut zehn Prozent der Krankenhausbetten wurden seit der Kreditkrise von 2008 weggespart - das rächt sich nun. Das Land kommt im Durchschnitt noch auf knapp 300 Betten pro 100 000 Einwohner - die Weltgesundheitsbehörde WHO empfiehlt 800 Betten. Aber fast 60 der 300 Betten befinden sich in privater Hand. Profitable Bereiche wurden privatisiert, vor allem in Autonomien, in denen die Konservativen regieren oder lange regiert haben. Die Hauptstadtregion Madrid sticht besonders hervor, wo schon knapp 28 Prozent aller Krankenhausbetten in privater Hand sind.
Und dort wütet das Virus besonders stark. 355 von 558 Toten finden sich hier sowie fast die Hälfte der Infizierten. So blieb Regierungschef Pedro Sánchez keine andere Wahl, als auch private Gesundheitsanbieter und ihre Ausrüstungen »unter die Kontrolle« der zuständigen Behörden zu stellen, wie es sein Gesundheitsminister Salvador Illa am Montag verkündigt hat. Die Behörden dürfen nun im Rahmen des Alarmzustands darauf zugreifen, um den Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern.
Zwar liegen die Ausgaben im Gesundheitswesen wieder auf dem Stand vor der Kreditkrise, doch es wurde lange Jahre ausgeblutet. Fast 29 Milliarden Euro und etwa 30 000 Stellen wurden eingespart. Deshalb werden nun auch pensionierte Beschäftigte oder Studierende rekrutiert, um in der Gesundheitsversorgung zu helfen.
Es ist für viele unbegreiflich, dass Menschen auch in Madrid weiter eng gedrängt in öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren müssen. Bei Mercedes im baskischen Gasteiz mussten die Beschäftigten der Produktion per Sitzstreik den Produktionsstopp durchsetzen. Wie Madrid ist auch Gasteiz Infektionsherd. Dass die Hauptstadtregion weiterhin nicht abgeriegelt ist, ist eine zentrale Kritik. Die Regierung ließ auch zu, dass sich viele Menschen am Freitag in ihre Urlaubsresidenzen an die Mittelmeerküste absetzen und so das Virus verteilen konnten.
Nicht zuletzt aus China wird kritisiert, dass Anfangsfehler aus Wuhan wiederholt würden und vor allem das medizinische Personal nicht ausreichend geschützt werde. Da die Infektionskurve weiter ungebremst steigt - von Dienstag auf Mittwoch wurden 2500 neue Ansteckungen registriert - warnen derweil auch Leiter von Intensivstationen in Krankenhäusern, dass die Kapazitäten von 4400 Plätzen bald überschritten werden könne. Derzeit sind fast 800 Betten mit Corona-Patientenbelegt. Sie rechnen auf dem Höhepunkt der Epidemie Mitte April mit 9000 benötigten Plätzen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.