»Was wäre Olympia für ein positives Zeichen«

Kanu-Verbandspräsident Thomas Konietzko wünscht sich, dass die Sommerspiele Tokio 2020 stattfinden können

Herr Konietzko, was tut der Deutsche Kanu-Verband angesichts der Corona-Krise?

Wir haben sehr schnell, schon Mitte vergangener Woche, Empfehlungen für unsere Vereine abgegeben: alle Vereinsaktivitäten einzustellen, Regatten und alle gemeinsamen Unternehmungen abzusagen, vorerst bis Mitte April.

Zur Person

Thomas Konietzko ist seit zehn Jahren Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes. Seit 2016 fungiert er zudem als Vizepräsident des Weltverbandes. Der 56-Jährige leitet in Wolfen (Sachsen-Anhalt) eine Unternehmensgruppe, die im Bereich Außenwerbung und Facility Management tätig ist. Für einige Spitzenathleten hat er jetzt erreichen können, dass sie trotz Coronakrise Zugang zu Trainingszentren haben. 

Und die Spitzenathleten?

Das ist ein Riesenproblem. Wir haben in einer Nacht- und Nebelaktion am letzten Wochenende unsere Athleten aus Trainingslagern in Sevilla und Portugal zurückholen können. Sie sind jetzt zu Hause und wir versuchen, für jeden Olympiakandidaten individuell Trainingsmöglichkeiten in Absprache mit den Olympiastützpunkten zu ermöglichen.

Wie läuft das konkret?

Es gibt jeweils unterschiedliche Anordnungen in den Bundesländern. Mit manchen Behörden haben wir Ausnahmeregelungen erreicht, die ausschließlich für Olympiakandidaten gelten. In Potsdam ist der Kanuklub geschlossen, außer für die zwei, drei Kanuten, die sich auf Olympia vorbereiten. Die haben Zugang, mit ihren Trainern.

Wer konkret darf denn in Potsdam trainieren derzeit?

Ronald Raue und Sebastian Brendel zum Beispiel. Wir haben zudem Sportler aus anderen Klubs da. Es ist auch im Gespräch, dass der Deutsche Olympische Sportbund beim Bund eine Genehmigung erwirken will, damit Olympiakader im Trainingszentrum Kienbaum trainieren dürfen - in einer sogenannten isolierten Zone.

Wo trainieren die Kanuten in Potsdam? An den Geräten oder auf dem Wasser?

Sowohl auf dem Wasser, was beim jetzigen Wetter ja möglich ist, als auch im Kraftraum - unter Beachtung besonderer Hygienevorschriften. Wir versuchen, so viel Training wie möglich im Freien abzuhalten.

Wie klappt das?

Gut. Komplizierter ist es aber, die Athleten in dieser unklaren Situation zu motivieren. Wozu das alles? Da haben die Trainer und der Verband viel psychologische Arbeit zu leisten. Aber solange die Spiele nicht abgesagt sind, müssen wir uns darauf vorbereiten. Wir versuchen dann halt, das beste Umfeld unter schwierigen Bedingungen zu bieten.

Wie finden Sie, dass das Internationale Olympische Komitee die Spiele noch nicht abgesagt hat?

Ich sehe das nicht negativ zum jetzigen Zeitpunkt. Wir haben noch mehr als viereinhalb Monate Zeit. Bei all dem, was weltweit unternommen wird, um den Coronavirus einzudämmen, besteht aus meiner Sicht noch eine Chance, das Ganze in den Griff zu bekommen und erst Ende April, Anfang Mai dann eine Entscheidung zu treffen. Also ich bin optimistisch und ich glaube, auch der Sport muss optimistisch sein. Die Chancen sinken von Tag zu Tag, ich bin aber überzeugt, dass das IOC zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen im Interesse der Sportler treffen wird.

Was sagen die Trainer den Sportlern: Wozu sollen sie trainieren?

Die Motivationskette ist noch länger: Erstmal müssen der Sportdirektor und ich die Trainer motivieren, weiterzumachen. Und die müssen das an die Sportler weitergeben. Solange aber der Glaube da ist, dass die Olympischen Spiele stattfinden, solange können die Sportler sich noch motivieren. Natürlich wissen wir, dass Sport im Moment nicht das Wichtigste ist. Aber Optimismus ist das, was wir noch verbreiten können.

Wie weit ist denn die Olympiaqualifikation gediehen? Steht schon fest, wer fahren dürfte?

Einen Großteil der Quotenplätze haben wir im vergangenen Jahr gesichert. Das Problem ist nun, wie wir die Boote besetzen. Es sind nur Boote qualifiziert, und wir wissen noch nicht, wer 2020 dort drin sitzt. Wir mussten die erste Qualifikation absagen und ich gehe davon aus, dass auch die zweite ausfallen wird. Das kann ich als Vizepräsident des Weltverbandes schon sagen. Wir wissen im Moment nicht wirklich, wie wir das lösen sollen. Aber ich glaube, wenn die Olympischen Spiele stattfänden, würden wir eine Möglichkeit finden.

Als Weltverbandsfunktionär wissen Sie es: Finden irgendwo in der Welt noch Wettbewerbe statt?

Internationale Wettkämpfe werden keine mehr ausgetragen. Die Panamerikanischen Meisterschaften und die Asienmeisterschaften sind gerade abgesagt worden. Aber national läuft noch manches. Wir wissen zum Beispiel, dass in einigen Ländern, Neuseeland und Australien etwa, der Trainingsbetrieb noch normal weitergeht, was wiederum bei unseren Sportlern unter anderem auch zu der Reaktion führte, das sei ja ungerecht. Weil wir ja in absehbarer Zeit gar nichts fahren können.

Von der Gesundheitsgefahr mal abgesehen, wie soll denn in viereinhalb Monaten in Tokio für alle gleicher Zugang geschaffen werden und so etwas wie Chancengleichheit? Ist das noch möglich?

Ich kann mir das nicht vorstellen. Aber ich glaube, dass alle bereit wären, für ihren großen Traum Olympia Abstriche zu machen: nationale Verbände, Athleten, Trainer. Einfach, damit die olympischen Spiele überhaupt stattfinden können. Stellen Sie sich vor, was das für ein positives Zeichen für die Welt wäre, wenn es uns gelingt, die Olympischen Spiele als erste Veranstaltung nach dieser weltweiten Krise stattfinden zu lassen! Das kann beweisen, was für eine verbindende Kraft Sport für eine Gesellschaft hat. Ich gebe zu, das ist sehr optimistisch, aber das muss man im Moment sein. Es muss weitergehen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.