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Bundesregierung: Alle Maßnahmen unvermindert nötig +++ Bis zu 70 Prozent weniger Straßenverkehr in NRW

Der Newsblog zur Coronakrise - Montag, 30.03.2020

  • Lesedauer: 9 Min.

15.20 Uhr: Bundesregierung: Alle Maßnahmen gegen Coronavirus unvermindert nötig - Bayern verlängert Maßnahmen
In Deutschland sind die Voraussetzungen für eine Lockerung der strikten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie nach Ansicht der Bundesregierung noch nicht erfüllt. »Wir müssen immer noch alles tun, um das Virus auf seinem Weg durch Deutschland zu verlangsamen«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. In dieser Hinsicht seien die bundesweit geltenden Kontakt- und Bewegungsbeschränkungen sowie alle weiteren Maßnahmen auch weiterhin »unvermindert« notwendig, betonte er.

Kurz zuvor hatte Bayern die Verlängerung seiner Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie bis zum 19. April verkündet. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erläuterte in München, das Infektionsgeschehen verlaufe immer noch mit einer exponentiellen Entwicklung. Es sei allerdings »ein ganz leichter Trend« zu erkennen, die Kurve der Infektionen flache etwas ab. Dafür hätten Maßnahmen wie die Schul- und Kitaschließungen oder auch die Ausgangsbeschränkungen gesorgt.

Einen Termin wie Bayern nannte Seibert nicht. Er betonte, im Mittelpunkt stünden die Fragen, wie sich die Zahl der Infizierten und damit der stark Betroffenen entwickele und wie das Gesundheitssystem vor Überlastung geschützt werden könne. Derzeit sei die Verbreitungsgeschwindigkeit des Erregers bei einer Verdoppelung der Fälle alle fünf Tage noch deutlich zu hoch. Nötig sei, dass sich diese mindestens in Richtung alle zehn Tage entwickele. Ob die derzeitigen Maßnahmen eine Wirkung hätten und wenn ja, wie stark, werde erst gegen Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche zu sehen sein.

14.30 Uhr: Straßenverkehr reduziert sich in NRW um bis zu 70 Prozent
Das Coronavirus hat in Nordrhein-Westfalen zu einer beispiellosen Verkehrsberuhigung auf den Straßen geführt. 70 Prozent weniger Verkehr als im Vergleichszeitraum 2019 seien für das vorvergangene Wochenende 21./22. März verzeichnet worden, teilte die Verkehrszentrale des Landesbetriebs Straßen.NRW am Montag für die Autobahnen, Bundes- und Landstraßen mit. Für das nun zurückliegende Wochenende - mit Kontaktsperre - dürften die Zahlen noch höher ausfallen. Von Montag bis Freitag der vergangenen Woche hat die Verkehrszentrale in den Ballungsräumen einen Rückgang des Verkehrs von bis zu 40 Prozent verzeichnet. Ausnahme: der Lkw-Verkehr. Hier wurde nur ein geringer Rückgang gemessen.

13 Uhr: UNHCR fordert, wegen Corona-Krise Flüchtlinge von Inseln zu holen
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) fordert wegen der Gefahren durch die Ausbreitung des Coronavirus eine schnelle Entlastung der überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln. »Die Menschen leben jetzt schon unter extrem risikoreichen Bedingungen, auf engstem Raum eingepfercht, ohne ausreichende Hygiene«, sagte Boris Cheshirkov vom griechischen UNHCR am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Besonders schlimm sei die Situation weiterhin auf Lesbos, wo derzeit rund 20 000 Flüchtlinge und Migranten gezählt werden, bei einer Aufnahmekapazität von gerade mal 3000 Plätzen.

Die Organisation fordert bereits seit Monaten, die Menschen aufs Festland zu bringen, doch nun sei die Lage wegen Corona noch prekärer. Solange eine Entlastung nicht stattfinde, versuche man, bei der Ausrüstung und Vorbereitung zur Verhinderung von Infektionen zu unterstützen. »Wir verteilen mehr Geld an die Menschen, damit sie Hygieneartikel wie Desinfektionsmittel kaufen können, und unterstützen den Staat dabei, die Hygienemöglichkeiten vor Ort zu verbessern - mehr Seife, mehr Wasserhähne und Toiletten«, sagte Cheshirkov. Bisher stünden die Menschen weiterhin zu Dutzenden eng gedrängt in Schlangen, um an eine der wenigen Waschmöglichkeiten zu gelangen.

Insgesamt leben derzeit auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos laut griechischem Bürgerschutzministerium rund 40 000 Flüchtlinge und Migranten - bei einer Kapazität von gerade mal 6000 Plätzen.

11 Uhr: Kolumbianische Guerillagruppe erklärt Waffenruhe
Die kolumbianische Guerillagruppe ELN hat wegen der Corona-Krise eine vorübergehende einseitige Waffenruhe verkündet. Hintergrund des Schrittes sei die Aufforderung von UN-Generalsekretär António Guterres, alle Kampfhandlungen weltweit aufgrund des Kampfes gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus einzustellen, teilte die in Kolumbien vermittelnde norwegische Regierung am Montag mit. Die Maßnahme gilt demnach vom 1. bis 30. April. »Es ist ermutigend, dass die ELN eine einseitige Waffenruhe erklärt hat, um die gemeinsame Bedrohung zu bekämpfen, die Covid-19 darstellt«, erklärte die norwegische Außenministerin Ine Eriksen Søreide. Es handele sich um ein weiteres Beispiel dafür, dass Konfliktparteien der Forderung von Guterres folgten.

Guterres hatte vor einer Woche angesichts der Corona-Pandemie einen weltweiten Stopp aller Kampfhandlungen gefordert. »Beendet die Seuche namens Krieg und bekämpft die Krankheit, die unsere Welt verwüstet«, hatte der Chef der Vereinten Nationen am vergangenen Montag in New York gesagt.

10.25 Uhr: Datenschützer setzt bei Handy-Tracking auf Freiwilligkeit
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber pocht bei einem Handy-Tracking als Schutzmaßnahme in der Corona-Krise auf den Grundsatz der Freiwilligkeit. Kelber signalisierte zwar am Montag im Bayerischen Rundfunk grundsätzliches Einverständnis mit Überlegungen, mit Hilfe einer »Corona-App« leichter Kontaktpersonen von Infizierten zu ermitteln. Für ihn heiße das aber, »die Menschen müssen freiwillig diese App auf ihren Geräten installieren«, stellte er klar.

Diese Menschen könnten dann für den Fall, dass sie positiv getestet werden, ihren echten Kontaktpersonen eine entsprechende Mitteilung geben, um so dazu beizutragen, Infektionsketten zu unterbrechen. Wenn dabei der Datenschutz hinreichend beachtet werde, »wird es eine große Bereitschaft geben, zu teilen, sich selbst zu schützen und andere zu schützen«, zeigte sich Kelber überzeugt.

Der Datenschutzbeauftragte wies auch darauf hin, dass ein Handy-Tracking über das Einloggen der Geräte in Mobilfunkzellen, wie es zunächst erwogen wurde, keinen Sinn mache. »Es geht vor allem darum, genaue Daten zu haben. Und dazu brauchen Sie eben nicht Mobilfunkzellen, da brauchen Sie einen Austausch über GPS-Daten, über Bluetooth, wo man sich einander angenähert hat«, hob er hervor.

09.20 Uhr:Easyjet lässt komplette Flotte wegen Pandemie am Boden
Die britische Fluggesellschaft Easyjet lässt wegen der Corona-Pandemie seit Montag ihre gesamte Flotte am Boden. Bereits zuvor hatte die Airline ihren Flugverkehr infolge der Grenzschließungen und Reisebeschränkungen stark eingeschränkt. Easyjet führte nach eigenen Angaben bis Sonntag noch über 650 Rückführungsflüge durch und brachte mehr als 45.000 Kunden nach Hause. »Wir werden weiterhin mit Regierungsbehörden zusammenarbeiten, um zusätzliche Rückführungsflüge nach Bedarf durchzuführen«, teilte das Unternehmen mit. Wann die kommerziellen Flüge wieder aufgenommen werden können, sei noch nicht absehbar.

08.50 Uhr: Regierungsbeauftragter warnt vor Gefahr für Menschen mit Behinderungen
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, hat vor einer schlechteren Versorgung behinderter Menschen bei einer Covid-19-Erkrankung gewarnt. Die Corona-Pandemie verschärfe »bestehende Problemlagen für viele Menschen mit Behinderungen leider deutlich«, sagte Dusel der »Süddeutschen Zeitung« am Montag. Viele Menschen mit Behinderungen gehörten zur Risikogruppe für das Coronavirus, weil sie häufig Vorerkrankungen hätten oder immungeschwächt seien.

Dusel zufolge hätten Menschen mit kognitiven Einschränkungen aber schon zu normalen Zeiten Probleme, ins Krankenhaus aufgenommen zu werden. Die Kliniken gingen oft davon aus, dass in den Wohnheimen vor allem Pflegekräfte arbeiteten. Dies sei aber nicht der Fall, denn dort seien eher pädagogische Fachkräfte tätig. Diese stünden durch die Corona-Pandemie besonders unter Druck, weil die Bewohner der Wohneinrichtungen nun den ganzen Tag dort verbrächten.

Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen hätten wegen der Infektionsgefahr geschlossen. In den Wohneinrichtungen reiche das Personal unterdessen »in dieser besonderen Situation« nicht aus, sagte Dusel. Während die Werkstätten mit dem Sozialschutzpaket der Bundesregierung vor drohenden Pleiten geschützt seien, treffe dies auf Wohneinrichtungen aktuell nicht zu. Dort stiegen aber die Kosten. Dafür müsse schnell eine Lösung gefunden werden, mahnte Dusel.

08.10 Uhr: Arbeitsfreie Woche in Russland
Russland will mit einer arbeitsfreien Woche die weitere Ausbreitung der Corona-Pandemie eindämmen. Das ist eine von mehreren Maßnahmen, die an diesem Montag in Kraft tritt. Auf Anordnung von Präsident Wladimir Putin sollen große Teile der russischen Geschäftswelt ruhen. Die Löhne sollen aber weiter gezahlt werden. Supermärkte, Apotheken und Krankenhäuser bleiben geöffnet. Die Bevölkerung sollte jetzt »Disziplin und Verantwortung« zeigen und zu Hause zu bleiben, hatte Putin an seine Landsleute appelliert.

Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin verhängte zudem am Sonntagabend eine allgemeine Ausgangssperre. Sie soll ebenfalls von diesem Montag an gelten - wie lange, war zunächst unklar. Die Wohnung dürfe nur verlassen werden, wer etwa zur Arbeit, zum Arzt oder einkaufen gehen müsse, heißt es in der Anordnung. Solche Einschränkungen gab es bislang nur für Menschen im Alter von über 65 Jahren.

Viele Russen nutzen offenbar den Zwangsurlaub für eine Reise. Der Gouverneur der am Schwarzen Meer liegenden Region Krasnodar, Weniamin Kondratjew, schrieb bei Instagram: »Wir haben gesehen, dass die Hotel-Reservierungen buchstäblich am Tag nach der Anordnung des Präsidenten stark gestiegen sind, besonders in Sotschi.«

07.40 Uhr: Twitter löscht zwei Botschaften Bolsonaros - Brasiliens Präsident zweifelt Sinn von Isolationsmaßnahmen an
Der Internetdienst Twitter hat zwei Botschaften des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro gelöscht, in denen der Staatschef den Sinn von Isolationsmaßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus in Zweifel gezogen hatte. Die Botschaften hätten gegen die bei Twitter geltenden Regen verstoßen, erklärte das US-Unternehmen am Sonntag. Es würden solche Botschaften gelöscht, die den Informationen der Gesundheitsbehörden zu der Pandemie widersprächen und das Risiko einer Weiterverbreitung des Virus erhöhen könnten.

Bolsonaro hat wiederholt eine »Hysterie« über das Virus angeprangert und die von dem Erreger ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 als »kleine Grippe« bezeichnet. Der rechtsradikale Staatschef warnte auch vor Schäden für die brasilianische Wirtschaft durch die Anti-Corona-Maßnahmen regionaler und kommunaler Behörden und plädierte für eine rasche Rückkehr zur Normalität im öffentlichen Leben.

Bei den von Twitter gelöschten Botschaften handelt es sich um zwei Videos, die zeigen, wie Bolsonaro sich persönlich über Empfehlungen seines eigenen Gesundheitsministeriums für den Kampf gegen die Pandemie hinwegsetzt. Der Präsident ist dabei zu sehen, wie er am Sonntag durch die Hauptstadt Brasília läuft, sich mit Unterstützern trifft und sie drängt, die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Wirtschaftsweise stellen Sondergutachten zu Auswirkungen der Corona-Krise vor

Angesicht der massiven Folgen der Corona-Pandemie für die Wirtschaft stellt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung am Montag ein Sondergutachten vor. Neben den Auswirkungen für die wirtschaftliche Entwicklung wollen die sogenannten Wirtschaftsweisen darin auch Maßnahmen zur Diskussion stellen, mit denen die negativen Folgen abgefedert und eine Erholung der deutschen Volkswirtschaft gefördert werden könnten.

Ausgesetzt und verschoben
Wo der Streik als Druckmittel fehlt – über welche Machtressourcen Gewerkschaften in Zeiten von Corona verfügen

Die Corona-Krise hat die wirtschaftliche Aktivität in vielen Bereichen zum Erliegen gebracht, viele Konjunkturforscher rechnen deshalb mit einer Rezession. Die von der Bundesregierung bislang getroffenen Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld und Liquiditätshilfen hatte der neue Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, zuletzt als »sehr begrüßenswert« bezeichnet. Im nächsten Schritt komme es nun darauf an, für das Jahr 2021 »einen ähnlich starken und schnellen Aufschwung« anzulegen, wie es ihn in den Folgejahren der Finanzkrise gegeben habe.

Agenturen/nd

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