Dealer ziehen sich vom Markt zurück
Weniger Publikumsverkehr in Druckräumen, harte Drogen wie Heroin sind für einige schwerer zu beschaffen
Die Birkenstube in Moabit ist ein Konsumraum, eine Fixerstube, ein Ort, an dem Menschen ihre mitgebrachten Drogen sicher und sauber konsumieren, günstig etwas essen und trinken können oder eines der zahlreichen Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Die Zahl derer, die zum Konsumieren in die Birkenstube kommen, ist mit der Coronakrise stark zurückgegangen, sagt Christian Hennis, der die Einrichtung leitet.
Er habe das Gerücht auch schon gehört, dass aufgrund der Grenzschließungen die »Shore«, wie Heroin unter Drogensüchtigen heißt, knapp wird, - mehr aber auch nicht. »Drogen kommen immer durch«, sagt Hennis. »Heroin scheint es noch genug zu geben. Ich höre von unseren Kund*innen eher, dass der Markt sich zurückgezogen hat.« Das heißt? »Das heißt, die Dealer sind weniger draußen unterwegs, und die Abhängigen müssen mehr rennen, um an Heroin zu kommen.«
Doch die Drogenkonsumierenden stehen auch noch vor anderen Problemen. »Den Leuten fehlen die Erwerbsmöglichkeiten und damit das Geld für die Drogen«, weiß Hennis aus Gesprächen mit denen, die in die Birkenstube kommen. Schnorren, Dealen, Prostitution - auch das ist alles stark zurückgegangen.
Nach Informationen aus dem Büro der Landesdrogenbeauftragten könne eine Verknappung auch vonseiten des Landeskriminalamtes derzeit nicht bestätigt werden. »Für die Drogenkonsumierenden ist es allerdings schwerer geworden, sich das Geld für den Kauf zu beschaffen.« Die Nachfrage nach Substitution habe sich leicht erhöht. Der Anstieg werde zufriedenstellend von den vorhandenen Praxen abgedeckt. Die zugrunde liegende Betäubungsmittelverschreibungsverordnung biete hierfür gute Möglichkeiten. Das Gesetz regelt die Abgabe von Drogenersatzmedikamenten an Nutzer*innen.
Wie viele Menschen konkret in die Arztpraxen gehen, steht aber noch nicht fest. Die Auswirkungen der Pandemie auf Substitutionspraxen ließen sich erst nach dem 2. Quartal beziffern, sagte die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV Berlin) dem »nd«. Um die steigende Nachfrage bedienen zu können, hat die KV Berlin seit dem 20. März die Begrenzung der Patient*innenzahlen pro Arzt in der Substitution aufgehoben. Diese Regelung gilt bis Mitte des Jahres. Sollte eine Praxis schließen müssen, zum Beispiel aufgrund von Quarantänemaßnahmen, könne eine andere Praxis diese Patient*innen auffangen, hieß es.
Der Fixpunkt e. V. bietet seit rund zwei Jahrzehnten Drogenhilfe und Gesundheitsförderung an mehreren Standorten an. Dazu gehören unter anderem die Vergabe von Spritzen und Hilfe bei der medizinischen Versorgung. Auf nd-Anfrage heißt es, nach anfänglicher Unsicherheit zu Beginn der Coronakrise habe sich die Situation inzwischen entspannt. Die Öffnungszeiten seien unverändert. Wegen der Bewegungsbeschränkungen habe sich die Besucherschaft verändert, weil andere Einrichtungen wie die Kältehilfe, Nachbarschaftszentren und ehrenamtliche Initiativen ihr Angebot zurückgefahren hätten.
Im Fixpunkt selbst werden Konsument*innen nur noch einzeln eingelassen und weniger Plätze in den Konsumräumen zur Verfügung gestellt. Bestätigte Covid-19-Fälle unter den Besucher*innen der verschiedenen Kontaktstellen seien noch nicht bekannt, heißt es. Doch wenn es, wie »in den nächsten Wochen zu erwarten«, zu Erkrankungen oder Todesfällen komme oder dazu, dass die Drogenlager irgendwann doch leer sind, befürchtet man bei Fixpunkt, dass Angst und Anspannung zunehmen. Riskantes Konsumverhalten, Überdosierungen und eine nicht ausreichende oder zu späte medizinische Versorgung könnten die Folgen sein.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.