Eine absurde Abstimmung
Max & Moritz
Hallo Moritz, wir müssen über Wisconsin reden.
Also gut.
In dem US-Bundesstaat fanden am Dienstag Kommunalwahlen statt. Gouverneur Tony Evers, ein Demokrat, wollte sie wegen Corona verschieben, aber das Parlament und Wisconsins Oberster Gerichtshof - beide von Konservativen kontrolliert - haben das verhindert. So standen Tausende Wähler in kilometerlangen Schlangen an sehr wenigen Wahllokalen bei Hagelschauern an. Eine schwarze Stunde für die Demokratie in den USA, oder nicht?
Leider kennen wir lange Schlangen vor Wahllokalen in den USA, vor allem in Städten, wo viele Minderheiten leben, wie hier in Milwaukee. In der Stadt gibt es sonst gut 180 Wahllokale, diesmal waren es fünf, weil kaum Wahlhelfer gefunden wurden.
Wie viele Leute haben denn diesmal in Milwaukee abgestimmt?
In den Wahllokalen waren es 18 000. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von drei Prozent. Absurd niedrig, selbst wenn man bedenkt, dass Lokalwahlen generell eine niedrige Beteiligung haben. 2018 lag sie noch zwischen 20 und 25 Prozent. Aber es kommen noch die Briefwahlstimmen dazu.
In ganz Wisconsin gab es bis zum Wahltag «nur» 2500 positive Corona-Fälle. Haben die Demokraten die Gesundheitsgefahr übertrieben?
Ich glaube nicht. Schau auf Michigan und Ohio! In Michigan wurde Mitte März gewählt. Ohio war Ende März dran, doch der republikanische Gouverneur ließ die Wahl verschieben. Seitdem haben sich die Fallzahlen in Michigan vervierfacht, während die Kurve in Ohio weniger steil steigt. Dafür gibt es sicher noch andere Gründe, aber die Abstimmungen hatten durchaus einen Effekt.
Viele wollten in Wisconsin per Brief wählen. Doch es gab Probleme.
Richtig. Die sozialen Medien sind voller Berichte von Leuten, die ihre Unterlagen nie erhalten haben. Von mehr als einer Million Stimmzetteln seien ungefähr 200 000 zurückgekommen, teilte die Wahlkommission mit. Angeblich wegen falscher Adressen oder weil die Leute weggezogen seien.
Per Brief zu wählen, ist in Wisconsin ohnehin schwer. Man braucht die Unterschrift eines Zeugen. Warum?
Weil die Republikaner überall ganz vorne dabei sind, wenn es um Wählerunterdrückung geht. In anderen Staaten gibt es die Pflicht, sich auszuweisen, was einige Bevölkerungsgruppen vom Wählen abhält, weil sie seltener Personalausweise haben. Andernorts werden Menschen von Wählerlisten gestrichen, wenn sie ein paar Mal nicht abgestimmt haben. Das trifft fast immer Minderheiten oder junge Menschen, die eher demokratisch wählen. Beliebt ist auch das willkürliche Zuschneiden von Wahlbezirken, um möglichst viele Abgeordnete zu gewinnen. 2018 holten die Demokraten in Wisconsin 53 Prozent der Stimmen, aber nur 36 Prozent der Sitze in den Regionalparlamenten. Umgekehrt gewannen die Republikaner mit nur 45 Prozent aller Stimmen 64 Prozent der Sitze.
Donald Trump bezeichnet die Briefwahl als «gefährlich» und «schrecklich». Es gäbe massenhaft Betrug. Gibt es dafür Beweise?
Das behaupten Republikaner seit Langem. Tatsächlich gibt es dafür fast keine Hinweise. 2018 gab es mal einen größeren Fall. Dort hatte aber ein Republikaner Briefwahlstimmen manipuliert.
Fun Fact: Donald Trump hat vor Kurzem bei der Vorwahl in Florida per Brief abgestimmt. Wählerunterdrückung ist aber keine rein konservative Taktik. Auch die Demokraten nutzen sie.
Ja, in Maryland, New Jersey und New York. Landesweit sind die Republikaner aber eindeutig schlimmer.
Die Demokraten wollen eine nationale Briefwahl am 4. November. Können sie sich gegen die Blockade der Republikaner durchsetzen?
Nur, wenn sie dafür kämpfen wollen. Ein viertes Rettungspaket muss bald beschlossen werden. Bald wird der Druck sehr groß sein, mehr Direkthilfen an die Bürger zu zahlen. Wenn die Demokraten glaubhaft drohen, das nur in Verbindung mit der Briefwahlausweitung abzusegnen, werden sie es auch durchbekommen. Aber ich bin da pessimistisch.
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