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Hohe Strafen verschärfen Lage marginalisierter Sexarbeiter*innen
Bundesverband Sexarbeit (BesD) kritisiert den Corona-Bußgeldkatalog / Branche reagiert mit Kreativität und Solidarität auf die Krise
»Unser Beruf hat viel mit Berührung zu tun«, sagt Aya Velázquez vom Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) in Berlin. Velázquez arbeitet als Escort: Ihren Beruf, den sie aufgrund der Corona-Maßnahmen derzeit nicht ausüben kann, vermisse sie sehr, erklärt sie im Gespräch mit dem »nd«.
Seit dem 23. März herrscht wegen Corona ein Kontaktverbot. Alle körpernahen, nicht medizinisch notwendigen Dienstleistungen sind seitdem untersagt. Bereits eine Woche zuvor hatte die Bundesregierung eine Schließung von »Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen« beschlossen. Im Falle eines Verstoßes gegen das Verbot drohen Sexarbeiter*innen nun Bußgelder von rund 5000 Euro. Dabei differenziert der Bußgeldkatalog nicht zwischen Betreiber*innen einer Prostitutionsstätte und selbstständig arbeitenden Sexworker*innen.
Leni Breymaier (SPD), die ein Sexkaufverbot nach dem Nordischen Modell fordert, hatte sich bereits wenig später darüber gefreut, dass das Arbeitsverbot für Sexarbeiter*innen quasi ein Probedurchlauf für das Sexkaufverbot sei: »#Corona. Geht doch. Man(n) kann ja schon mal üben«, schrieb sie auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter.
Beim BesD in Berlin sieht man das allerdings anders: Denn die hohen Strafen würden jene in den Ruin stürzen, die bereits ganz unten sind. »Sie führen nicht zu einem Rückgang von Sexarbeit, sondern zu einer Verschlimmerung der Lage für bereits extrem marginalisierte Gruppen«, heißt es auf den Seiten des Bundesverbands.
Zwar haben Sexarbeitende, wie alle anderen (Solo-)Selbstständigen auch, ein Recht auf finanzielle Soforthilfen. Viele würden aber durch die staatlichen Hilfssysteme fallen, etwa weil sie nicht in Deutschland gemeldet sind. »Wir wissen, dass viele Kolleg*innen über keine ausreichenden Rücklagen verfügen und auf die Einnahmen aus der Sexarbeit dringend angewiesen sind«, heißt es in einer Stellungnahme des BesD. Mit einem hohen Anteil an nicht-Krankenversicherten, nicht-Angemeldeten, bereits von Armut betroffenen Menschen, treffe es Sexarbeitende in der jetzigen Krise besonders hart.
Der BesD habe deshalb einen Nothilfefonds eingerichtet und darauf gedrängt, für die Dauer der Krisenzeit das im Prostituiertenschutzgesetz festgeschriebene Übernachtungsverbot auszusetzen. So können viele der nicht in Deutschland lebenden Sexarbeiter*innen, die aktuell nicht in ihre Heimatländer zurückkommen, nun immerhin in den Bordellen und Prostitutionsstätten übernachten.
Viele Sexarbeitende erproben derzeit neue virtuelle Angebote
Neben der prekären Lage für viele marginalisierte Sexworker*innen, beweise die Sexarbeitsbranche derzeit aber auch, wie wandelbar und anpassungsfähig sie ist, sagt Velázquez. Cam- oder Telefonsex, erotische Chats sowie der Verkauf von Fotos und Filmen – der Kreativität seien kaum Grenzen gesetzt, so Velázquez. »Und das obwohl viele vorher gar nichts mit Technik zu tun hatten.«
Sexworkerin Candy Flip, die derzeit von ihren Rücklagen lebt, sieht diese Entwicklung allerdings auch kritisch, denn »für Camsex braucht man erst einmal die nötige Technik, etwa eine Webcam«, erklärt sie im Gespräch mit dem »nd«.
Zu den technischen Barrieren komme beim Camsex auch das Problem mit der Datensicherheit hinzu und die Gefahr, dass Videomaterial unerlaubt aufgezeichnet werden könne, sagt sie. »Und mir macht diese Art der Arbeit – ohne direkten Kontakt – auch keinen Spaß.« Zuletzt sei der Stundenlohn hier vergleichsweise gering – bei einem gleichzeitig enorm großen Angebot. »Da musst du dich erst einmal durchsetzen«, so die Sexworkerin.
Für den guten Zweck hat Candy Flip nun aber zusammen mit fünfzehn anderen Sexarbeiter*innen und Filmemacher*innen einen Corona-Porno gefilmt. Die Einnahmen sollen an diejenigen weitergegeben werden, die keine Rücklagen haben. »Gedreht haben wir den Kurzfilm 'Sex in times of Corona' in kleinen Quarantäneteams in unseren Haushalten«, erzählt Candy Flip dem »nd«. »Es hat wirklich gut getan, etwas zu tun, in dieser Zeit.«
Auch Velázquez kann der Situation etwas Positives abgewinnen: »Vielleicht ist das ja auch eine Chance für unsere Branche«, meint sie. Denn dass Sexarbeitende die Maßnahmen wie jede andere Berufsgruppe auch mitgetragen und ihre Arbeit niedergelegt haben, zeige ja nicht nur, »dass wir Teil der Solidargemeinschaft sind, sondern auch, dass wir zur 'ganz normalen' Berufswelt gehören«, so Velázquez. Für die Zukunft wünsche sie sich, dass von dieser Anerkennung auch nach Corona etwas bestehen bleibt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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