Juristen streiten übers Arbeitsrecht

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

In Zeiten von Corona sind Grundrechte wie Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit massiv eingeschränkt. Doch auch die Gewerkschaftsrechte könnten bedroht sein, worauf der Verein Demokratischer Jurist*innen (VDJ) in einer gerade veröffentlichten Stellungnahme hinweist. Die Covid-19-Pandemie dürfe nicht für einseitigen Lobbyismus genutzt werden, mahnen die Jurist*innen.

Die Gruppe stellt sich damit auch gegen ihre Berufskolleg*innen vom Deutschen Anwaltsverein (DAV). Die mit 62 000 Mitgliedern größte Interessenvertretung der Branche hatte in einer eigenen Stellungnahme geschrieben: »Da die Unternehmen auch zur Einführung von Kurzarbeit auf die rechtssichere Mitwirkung der Betriebsräte dringend angewiesen sind, muss die Handlungsfähigkeit der Betriebspartner gewährleistet sein.« Daher schlägt der DAV ein zunächst bis Ende 2020 befristetes »arbeitsrechtliches Pandemiebekämpfungsgesetz« als Ergänzung des Betriebsverfassungsgesetzes vor.

Interessen der Beschäftigten werden vernachlässigt

Der VDJ moniert nun, dass der Anwaltsverein mit seinen Vorschlägen vor allem die Interessen der Wirtschaft berücksichtige und die Interessen der Beschäftigten vernachlässige. »Während der Vorschlag zur Beschlussfassung der Arbeitnehmerinteressenvertretung ›im Umlaufverfahren‹ noch als Versuch eines Beitrags zur Gewährleistung der Handlungsfähigkeit der Betriebsparteien gewertet werden mag, haben alle anderen Vorschläge eine Schwächung der kollektiven Interessenvertretung, der Privatautonomie der Beschäftigten und der sie schützenden Gesetze zum Gegenstand und dienen allen der Verwirklichung von Arbeitgeberinteressen«, heißt es in der von zahlreichen kritischen Arbeitsrechtler*innen unterzeichneten Stellungnahme. Schutzrechte von Beschäftigten, die gerade in Corona-Zeiten besonders aktuell seien, würden hingegen nicht erwähnt.

Aus der Wunschliste der Wirtschaftsverbände

Bemängelt wird ferner, dass der DAV an mehreren Punkten Vorschläge für eine Schwächung der Betriebsratsarbeit mache, die mit der Corona-Pandemie in keinem Zusammenhang stünden. Als Beispiel wird der Einführung eines Dreierausschusses genannt, der aus dem Betriebsratsvorsitzenden und zwei weiteren Betriebsratsmitgliedern bestehen solle und während der Pandemie die Aufgaben des Gesamtbetriebsrats wahrnehmen solle. Der VDJ wirft dem Anwaltsverein vor, eine altbekannte Wunschliste der Wirtschaftsverbände aufzulisten, die zumindest temporär umgesetzt werden solle. Dazu gehörten auch die Ermöglichung längerer Arbeitszeiten und die Aufweichung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zur Leiharbeit. Zudem schlägt der DAV eine Klausel vor, in Betrieben ohne Interessenvertretung die Einführung von Kurzarbeit zu ermöglichen, wenn mindestens zwei Drittel der Beschäftigten dem zustimmen. Hier werde die Privatautonomie der Beschäftigten per Federstich abgeschafft, kritisieren die kritischen Jurist*innen.

Sie fordern den DAV auf, die einseitige Stellungnahme zurückzuziehen, und verlangen eine kritische Auseinandersetzung damit. Der Verein vertrete die falsche wie weit verbreitete Vorstellung, dass die Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft identisch seien.

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