Migranten wehren sich gegen Isolation in Südbrandenburg

Die Initiative »Busverbindung 571 jetzt!« fordert die Wiedereinrichtung der Linie zwischen Erstaufnahmeeinrichtung und Ortschaft

Die Initiative »Busverbindung 571 jetzt!« hat am vergangenen Dienstagnachmittag für ein Recht auf selbstbestimmtes Einkaufen mit und für die Flüchtlinge der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende nahe Doberlug-Kirchhain im Landkreis Elbe-Elster im südlichen Brandenburg demonstriert. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Aktiven der lokalen Initiative »DK_Vereint«, Bewohner*innen der Erstaufnahme-Einrichtung und Aktiven des Brandenburg-weiten Netzwerks »Welcome United«. Nach der Genehmigung durch das Gesundheitsamt konnte die Aktion unter Auflagen stattfinden. Noch eine Woche zuvor war die Versammlung durch die Behörde untersagt worden.

Zwanzig Personen protestierten auf dem Marktplatz der kleinen Stadt. Die Hälfte sind Asylbewerber*innen aus der Einrichtung. Drei der Bewohner ergreifen selbst das Mikrofon, berichtet die Initiative. »Corona ist für alle gleich, der Virus trifft uns alle. Warum wird mit uns anders umgegangen? Warum muss ich seit 8 Monaten im Wald leben? Warum fahren alle anderen Busse und unser Bus nicht? Warum wird bei uns dreimal am Tag Fieber gemessen - und bei den Deutschen nicht?«, fragt einer von ihnen die Anwesenden. »Wenn wir mehr als 4 Stunden außerhalb des Camps waren, müssen wir für 2 Wochen in Quarantäne.« Der folgende Redner erklärt weiter: »Wenn eine Person im Camp das Virus bekommt, werden sich mindestens 10 Personen angesteckt haben. Wir versuchen uns zu schützen, aber es ist unter den Bedingungen im Camp nicht möglich.« Die Einstellung der Buslinie werten alle drei als rassistische Ungleichbehandlung. »Warum werden wir anders behandelt? Weil wir dunklere Haare haben?«

Die anderen zehn unterstützten die Forderung der Migrant*innen durch ihre Teilnahme. Philipp Grunewald, der selbst im Landkreis Barnim wohnt, vom Netzwerk »Welcome United« erklärt gegenüber »nd« sein Engagement. In der Erstaufnahme Einrichtung in der knapp 500 Menschen untergebracht sind, fanden bis zum Ausbruch von Corona fast täglich Abschiebungen statt. Die Menschen, die hier untergebracht sind, haben große Angst. Außerdem sei die Stimmung stark rassistisch geprägt, auch während der Aktion hätten Männer am Rande Affengesten in Richtung der Migranten gemacht.

Bereits Anfang März, noch vor Beginn der Corona-Krise, war die einzige Busverbindung zwischen der Erstaufnahmeeinrichtung, die rund vier Kilometer außerhalb Doberlug-Kirchhains liegt, eingestellt worden. Dass die Buslinie wegen der starken Auslastung weiterhin eingestellt bleibe, begründeten die Behörden erst später. Ein privater Shuttle-Service mit PKW, der gleichzeitig Protestaktion war, wurde von der Polizei beendet. Die Begründung gegenüber den Fahrer*innen, war nicht die Einhaltung des Abstandsgebots, sondern dass unterwegs sein im Landkreis ohne triftigen Grund, berichtet Grunewald. Eine Aktivistin hält die Isolation für den falschen Weg, um die Corona Ausbreitung zu vermeiden. Sie meint, »für die Geflüchteten sollten dieselben Bedingungen gelten wie für alle Menschen: Kontakte vermeiden, aber auch selbstbestimmt Einkaufen gehen.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.