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Das Virus als Waffe

Thailand nutzt Coronakrise, um Protest zu unterdrücken

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen hat Regierungen zwar davor gewarnt, dass Covid-19-Maßnahmen nicht zu politischen Waffen werden dürfen, um Macht an sich zu reißen. »Notrechte sollten keine Waffe sein, die Regierungen einsetzen können, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, die Bevölkerung zu kontrollieren und sogar ihre Zeit an der Macht zu verewigen«, erklärte Michelle Bachelet, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, am Montag. Laut UN-Angaben haben mehr als 80 Nationen den Ausnahmezustand in Zusammenhang mit Covid-19 eingeführt. Seither sei es in Dutzenden von Ländern zu Missbräuchen von Notrechten gekommen.

In Thailand geschieht das besonders offensichtlich, wo das Putschregime unter Premier Prayuth Chan-ocha das Virus nutzt, um die Schrauben an seinen Bürgern anzuziehen. Hielten Studenten vor den Corona-Einschränkungen täglich Antiregierungsproteste ab, haben diese über Nacht verschwinden müssen. Nach manipulierten Wahlen vor einem Jahr, die die siegreiche Opposition um die Regierungsbildung gebracht haben, nutzt die Prayuth-Regierung die Viruskrise jetzt, um die »Pressefreiheit und bürgerlichen Freiheiten mit Füßen zu treten«. Das sagt der pensionierte thailändische Botschafter Pithaya Pookaman in der »Asia Sentinel«. Das Virus sei, so Pithaya, »das Instrument des Prayuth-Regimes zur Wiederbelebung einer umstrittenen, von Misswirtschaft und zügelloser Korruption geplagten Regierung«.

Dabei hätte das Königreich auch Lob verdient im Kampf gegen das Virus. Thailand hatte schon im Januar strikte Hygienemaßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Erregers einzubinden. Menschen trugen sofort Schutzmasken, überall waren Desinfektionsmittel zum Händewaschen verfügbar und wer einen Supermarkt, ein Büro- oder Verwaltungsgebäude betreten wollte, dem wurde mit einem Scanner die Temperatur gemessen. Doch Menschen haben diese Maßnahmen weitgehend von sich aus ergriffen. Die Regierung folgte mit der Verhängung einer nächtlichen Ausgangssperre, die noch bis Ende Mai andauern soll, inklusive der Schließung von Restaurants und Shopping Malls, der Sperrung der Grenzen, einem Versammlungsverbot und dem Reiseverbot zwischen Provinzen. Selbst der Verkauf von Alkohol bleibt im ganzen Land verboten.

Infolge der früh und resolut ergriffenen Maßnahmen zählt das 70-Millionen-Volk bislang lediglich 2947 Infizierte und 54 Covid-19-Todesfälle. Doch der Virus-Lockdown führt inzwischen zu einem Stillstand des Landes mit weitreichenden Folgen. Im ganzen Land bilden sich lange Schlangen von Menschen, die auf Gratismahlzeiten von Hilfsorganisationen hoffen. Millionen, gerade im schwer getroffenen Tourismussektor und in Exportindustrien, haben ihre Arbeit verloren oder müssen hohe Lohneinbußen hinnehmen.

Obwohl das Virus in Thailand absolut unter Kontrolle scheint, ist das Notrecht Ende April um einen Monat verlängert worden. Auf Zuwiderhandlungen stehen hohe Geldbußen und mehrjährige Haftstrafen, während die Prayuth-Regierung über ein Budget von 17 Billionen Baht verfügen kann, rund 48 Milliarden Euro, ohne über Ausgaben Rechenschaft ablegen zu müssen.

Die Rückkehr von politischem Widerstand in Universitäten und auf Straßen wird nicht lange auf sich warten lassen, wenn die Regierung keinen Vorwand mehr findet, um das Notrecht weiter zu verlängern. Die Menschen sind der Putschregierung mehr als überdrüssig geworden. Seit dem Militärputsch im Jahr 2014 gilt das Königreich als der »kranke Mann Asiens«. Thailands Wirtschaft stottert, die Verschuldung von Haushalten steigt, die Lebensgrundlage der Menschen verschlechtert sich und Korruptionsfälle in Regierungsetagen nehmen zu. Jetzt wird das Virus vom autoritären Regime als politische Waffe eingesetzt.

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