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Täter von Ballstädt vor Gericht erfolgreich
Verurteilungen gegen mutmaßliche rechte Schläger aufgehoben / Zeitverzug spielt Beschuldigten in die Hände
Es ist eine Ohrfeige für das Landgericht Thüringen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hob die Urteile gegen mehrere Angehörige der rechten Szene auf, deren Revision damit erfolgreich war. Das Urteil aus dem Jahr 2017 werde aufgehoben. »Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen«, heißt es in einem Beschluss des Bundesgerichtshofes, der unserer Zeitung vorliegt. Der Bundesgerichtshof macht vor allem formale Gründe für seine Entscheidung geltend.
Das Landgericht Erfurt hatte im Mai 2017 im sogenannten Ballstädt-Verfahren zehn Männer und eine Frau für schuldig befunden, am Überfall auf eine Kirmesgesellschaft im Landkreis Gotha im Februar 2014 beteiligt gewesen zu sein. Sie waren zu teilweise mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Selbst vor Gericht hatten die meisten der Angeklagten, die zum Teil szenetypische Kleidung trugen, aus ihren politischen Überzeugungen keinen Hehl gemacht. Zur Urteilsverkündung war ein Angeklagter mit einem T-Shirt mit der Aufschrift »Nationalist Fight Club« erschienen. Bei dem Überfall waren zehn Menschen schwer verletzt worden. In dem Prozess war an insgesamt 45 Tagen seit Dezember 2015 verhandelt worden. Vier Angeklagte hatte das Landgericht von den Tatvorwürfen freigesprochen.
In der Begründung des Bundesgerichtshofs zur Aufhebung des Urteils des Landgerichts heißt es, zwar habe das Gericht keinen Zweifel daran, dass sich der Überfall auf die Kirmesgesellschaft so ereignet habe, wie das Landgericht festgestellt habe. Allerdings sei die Beweiswürdigung des Landgerichts »durchgreifend rechtsfehlerhaft«, sodass nicht zweifelsfrei erwiesen sei, dass die Verurteilten an dem Angriff beteiligt gewesen seien. Unter anderem habe sich das Landgericht in seiner Urteilsbegründung nicht ausreichend mit einem DNA-Gutachten auseinandergesetzt, auf das es seine Entscheidung aber maßgeblich gestützt habe.
Eine Anwältin von Opfern des Übergriffs, Kristin Pietrzyk, kritisierte nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs das Landgericht scharf. »Die schriftliche Urteilsabfassung leidet an Fehlern, die durch reine Sorgfalt vermeidbar gewesen wären«, sagte sie. Das sei ein Ausweis für »mangelnde Professionalität« des Landgerichts.
Nach den Feststellungen des Landgerichts – die auch der Bundesgerichtshof in der Sache nicht anzweifelt – war es zu dem Überfall gekommen, nachdem ein Stein auf das sogenannte »Gelbe Haus« in Ballstädt geworfen worden war, das von Rechtsextremen bewohnt wird. Die Angreifer gingen demnach davon aus, dass der Steinwerfer unter den Menschen zu finden sein würde, die unweit der Immobilie zu einer Kirmesfeier zusammengesessen hatten. Der bei dem Verfahren Vorsitzende Richter des Landgerichts Erfurt, Holger Pröbstel, hatte während der Urteilsverkündung von einem »brutalen Angriff auf Unschuldige« und einer »schrecklichen Tat« gesprochen. Die zuständige Kammer des Landgerichts hatte für die meisten der Angeklagten Haftstrafen verhängt, die noch über den Forderungen der Staatsanwaltschaft lagen. Niedrige Strafen habe man nicht verhängen können, weil das ein fatales Signal gewesen wäre, sagte Pröbstel damals.
Der Opferanwalt Maik Elster befürchtet nun, dass die damals Verurteilten nicht nur von ihrer erfolgreichen Revision, sondern auch von der Coronakrise profitieren könnten. Das Landgericht Erfurt müsse »jetzt erst recht unter Aufbietung aller Ressourcen« rasch neue Termine für die Neuverhandlung anberaumen, forderte er – auch wenn das wegen der Pandemie eine große Herausforderung sei. »Verstreicht noch mehr Zeit, spielt dies allein den Angeklagten in die Hände.« Seine Befürchtung: Weil bei einer erneuten, möglichen Verurteilung der Männer und der Frau noch mehr Zeit zwischen dem Überfall und einem etwaigen Schuldspruch vergangen sein wird, dürfte das Strafmaß dann unter dem vor drei Jahren verhängten liegen.
Pietrzyk allerdings sieht in der Neuverhandlung auch eine Chance für das Landgericht: Es habe nun die Möglichkeit, die Tat von Ballstädt als das zu würdigen, was sie gewesen sei: »Nämlich der Versuch von Nazis, eine regionale Hegemonie aufzubauen und auch mit Mitteln der Gewalt durchzusetzen.« Diese Feststellung habe das Landgericht in seinem Urteil bislang vermieden.
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