Kontroverse um Fraktionsspitze

Der Wechsel von Bluhm und Wolf zu Helm und Schatz ist in der Linken umstritten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist einer der bestbezahlten und sicherlich auch einer der politisch mächtigsten Jobs, den die Berliner Linke zu vergeben hat: Die Rede ist vom Posten des Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus. Wer dort im vierten Obergeschoss des Landesparlaments seinen Platz einnimmt, hat bei allem etwas mitzureden, was die Linke in Regierungsverantwortung zusammen mit der SPD und den Grünen zu entscheiden hat. Die Fraktionschefs gelten bei einigen sogar als das wahre Machtzentrum des Mitte-links-Bündnisses. Mit Carola Bluhm und Udo Wolf, der diese Funktion seit 2009 ausübt, hatte die Linksfraktion in dieser Legislatur ausgesprochen erfahrene Politiker in dieses Amt gewählt, die eine seinerzeit deutlich verjüngte Fraktion anführen.

Doch damit, dass die »alten Hasen«, wie sie sich selbst bezeichnen, vorangehen, ist bald Schluss. »Es ist überfällig, dass wir über Personalwechsel nachdenken«, sagt Udo Wolf am Mittwoch zu »nd«. Bereits seit Längerem war darüber innerhalb der Fraktion und der Partei diskutiert worden. Einen solchen gravierenden Schritt inmitten der akuten Coronakrise zu vollziehen, haben Bluhm und Wolf nach eigener Aussage sorgfältig abgewogen: »Wir haben es uns nicht leicht gemacht mit unserer Entscheidung, den Wechsel des Fraktionsvorsitzes gerade jetzt vorzunehmen, denn in Krisenzeiten braucht es verlässliche Strukturen«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Doch angesichts der aus Sicht der scheidenden Führung gut aufgestellten Fraktion habe man sich entschlossen, den »Generationswechsel« nun vorzunehmen.

Wunschkandidaten für die neue Fraktionsspitze sind die Abgeordneten Anne Helm und Carsten Schatz. »Ich halte das für einen sehr guten Vorschlag«, erklärt Helm dieser Zeitung. Natürlich handele es sich um eine »riesengroße Verantwortung«. »Wir bilden uns nicht ein, dass wir Carola Bluhm und Udo Wolf einfach ersetzen können«, betont Helm. Die designierte Fraktionsvorsitzende glaubt aber auch, dass die Erneuerung der Linksfraktion in dieser Legislatur bereits sehr erfolgreich war. Als junge, feministische und links-progressive Politikerin will Helm die Linksfraktion weiter diesen Weg beschreiten lassen. Dass im Vorfeld zu der geplanten Fraktionsvorsitzendenwahl am 2. Juni erneut Vorgänge aus ihrer politischen Vita, wie die als »Bombergate« bekannt gewordene Aktion mit dem Slogan »Thanks Bomber Harris« in Dresden 2014, hochkochen könnte, glaubt sie nicht. »Zu Dresden habe ich alles gesagt, das ist mittlerweile über sechs Jahre her - man lernt dazu«, sagt die Linke-Politikerin, die früher mal bei den Piraten war.

Ob es damit wirklich getan ist, wird sich zeigen. Klar ist: So wichtige Personalentscheidungen wird es nicht ohne eine Debatte geben. Von einem Machtkampf zu sprechen, ist momentan noch zu weitgehend, aber in der Partei rumort es derzeit kräftig. Wie heftig die Kritik ausfällt, zeigte sich insbesondere bei einer eilig am Dienstagabend einberufenen Videokonferenz des Landesvorstandes.

Teilnehmer berichten, dass dabei zwar nicht so sehr über die konkreten Personen gesprochen worden sei, der Rückzug der jetzigen Fraktionsvorsitzenden für viele zu diesem Zeitpunkt aber dennoch sehr überraschend kam. Die vorgeschlagene Nachfolgerlösung sorgte ebenfalls für großen Unmut. »Einen solchen weitreichenden Vorschlag nicht einmal mit der Landesvorsitzenden abzustimmen und darauf zu bestehen, dass allein die amtierenden Fraktionsvorsitzenden wüssten, was gut für Partei und Fraktion sei, ist ein befremdlicher Affront gegen die Partei, wie ich ihn in dieser Form in unserem Landesverband nicht für möglich gehalten hätte«, erklärt ein stark angesäuerter Teilnehmer am Tag nach der Telefonschalte.

Ein anderer wichtiger Kopf der Berliner Linken sagt: »Es geht hier jetzt nicht um einen Machtkampf um eine politische Richtung, sondern um die Frage der Pluralität, die die Partei in Berlin hat.« Soll wohl heißen: Die breite Aufstellung der Linken, die in den vergangenen Jahren fast alle Strömungen und Bezirksverbände versucht hat zu integrieren, steht infrage. »Man muss die Partei mitdenken«, sagt das Landesvorstandsmitglied, das nicht genannt werden will. Anne Helm beispielsweise ist zwar formal als Vertreterin Neuköllns im Abgeordnetenhaus, aber sie wird von ihrem Bezirksverband im Prinzip fast gar nicht unterstützt. Die Befürchtung ist, dass diese mühsam zugeschütteten Gräben wieder aufbrechen könnten.

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»Dass es zu jedem Personalvorschlag in der Fraktion und der Partei eine Debatte gibt, ist ganz normal«, findet dagegen der scheidende Fraktionsvorsitzende Udo Wolf. Auch seien die Landesvorsitzende Katina Schubert sowie weitere Personen durchaus frühzeitig einbezogen worden. Einige in der Partei sehen grade in Schubert ein »starkes Gegenüber« zu den politischen Schwergewichten von SPD und Grünen, die neben dem Landesvorsitz auch die Fraktionsspitze übernehmen sollte.

Und auch in der Fraktion selbst sind einige von dem avisierten Personaltableau wenig überzeugt. »So einfach wird das nicht«, ist aus den Reihen der Abgeordneten zu hören.

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