Und sie können nicht davon lassen

Drei alternde Radstars, die in Episoden der dunkelsten Dopingzeit verwickelt waren, fahren immer noch - in völlig unbedeutenden Teams

  • Christoph Leuchtenberg, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Oscar Sevilla war einmal Jan Ullrichs Edelhelfer im Team bei T-Mobile - mit 43 wurde er unlängst für sein kolumbianisches Team Zweiter beim Großen Preis von Patagonien. Davide Rebellin wechselte 2003 mit Riesen-Tamtam zu Gerolsteiner - heute, mit 48, ist er Profi in Kroatien. Francisco Mancebo galt um die Jahrtausendwende bei Banesto als neuer Miguel Indurain - mit fast 44 strampelt er sich nun für ein japanisches Kleinteam ab.

Drei Radsportler, die nicht nur biblisches Sportleralter eint. Die Spanier Sevilla und Mancebo sowie den Italiener Rebellin verbindet auch eine massive Dopingvergangenheit. Sie sind Übergebliebene einer Zeit, die ihren Sport fast in den Abgrund führte. Drei Dinosaurier der Landstraße, die weit entfernt vom Ruhm der großen Rennen ein Refugium gefunden haben, nicht loslassen können und großen Tagen nachtrauern.

»Wenn es die ›Operación Puerto‹ nicht gegeben hätte, wäre ich wahrscheinlich immer noch in Europa«, sagt Sevilla. »Dann hätte ich jetzt mehr Ruhm und Geld. Aber ich wäre nie im Leben so glücklich wie heute.«

Nun ja, es gab jene berühmte Polizeiaktion, in deren Zuge die Machenschaften des spanischen Sportmediziners Eufemiano Fuentes aufgedeckt wurden, woraufhin Radstars im Dutzend stürzten. Der kleine Kletterer Sevilla, der Ullrich endlich zum zweiten Toursieg ziehen sollte, wurde gemeinsam mit seinem Kapitän am Vorabend der Frankreich-Rundfahrt 2006 suspendiert. Ullrich fuhr nie wieder ein Profirennen.

Sevilla war mit 29 als Radprofi eigentlich erledigt. Zwar kam er um eine lange Sperre herum, die Topteams ignorierten ihn aber, Sevilla zog es nach Amerika. Mittlerweile ist er in Kolumbien heimisch geworden, hat dort Frau und Kinder, und fährt für das international unbedeutende Team Medellín. Das kindliche Antlitz, das ihm den Spitznamen »El Niño« einbrachte, besitzt er noch heute. Im Januar wurde Sevilla bei der Vuelta a San Juan in Argentinien Dritter. Vor Peter Sagan und nur knapp hinter Belgiens siegreichem Wunderkind Remco Evenepoel. Der wurde im Jahr 2000 geboren, als Sevilla bereits dreimal den Giro d’Italia bestritten hatte. Evenepoel nannte den alten Spanier anerkennend »die größte Bedrohung für mich hier«.

Noch mehr als Sevilla ist Davide Rebellin ein Getriebener. Als im Winter ein Engagement bei einem kambodschanischen Team platzte, verkündete der rüstige Radler trotzig: »Ich fahre auf jeden Fall weiter.« Und unterschrieb wieder bei der kroatischen Meridiana-Sportgruppe.

Vor und in seinen Gerolsteiner-Jahren (2003 bis 2008) war »Tintin« einer der weltbesten Klassikerfahrer, nach Olympiasilber in Peking wurde er jedoch positiv getestet. Als sich sein deutsches Team auch sonst als ziemlich durchseucht entpuppte und bald darauf dichtmachte, endete Rebellins Glanzzeit. Fortan musste sich der Italiener bei Außenseiterteams durchschlagen. »Natürlich fühle ich Bitterkeit. Ich habe viele Jahre meiner Karriere verloren. Es ist hart, dass andere mehr offene Türen fanden«, sagte er.

Die besten Karrierejahre hat auch Francisco Mancebo weggeworfen. Der Madrilene ist neben Sevilla und Alejandro Valverde - noch mit 40 beim Topteam Movistar aktiv - einziger sportlicher Überlebender der »Operación Puerto«. Bis 2005 landete Mancebo fünfmal in den Top 10 der Tour de France, von der er dann 2006 aber ausgeschlossen wurde.

Anderthalb Jahrzehnte später feierte er seinen bislang letzten Gesamtsieg bei der Ronda Pilipinas 2019. Nach dem Triumph über die gesammelte philippinischen Radelite sagte er: »Das habe ich meinem Team zu verdanken.« Bei der Matrix-Equipe ist Mancebo nicht einmal der Senior - sein japanischer Teamkollege Tomoya Kano wird im Juli 47. SID/nd

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